Heute folgen wir einem speziellen Teil unserer aller Geschichte. Ich schreib explizit unserer aller, weil; Nur weil wir (also ich meine die Eidgenossen) mal «Neutral» auf unsere Fahnen geschrieben haben, soll dies nicht heissen, dass diese uns nicht von allem Bösen Ablass erteilen kann. Das kann uns nicht nichts angehen, auch wir hatten unsere Fäden im Spiel. Wenn auch nur hintergründig. Der 2.Weltkrieg geht uns alle an.

Aber erst mal von vorn: Wir haben gestern, bei der Hinfahrt nach Erfurt mehrere Schilder mit «Umweltzone» gesehen. Hier sollten eigentlich nur Autos durch, welches keine Dreckschleudern sind. Wir denken nicht weiter drüber nach, wieviele sinnlose Bürden wir doch in unserer Heimat haben…. Äbe ja.

So dringen wir – oherrje- ohne diese ominöse Umweltplakette in die Stadt. Wer kann da noch ruhig schlafen?

Wir.

Am nächsten Morgen werden unsere Siebensachen gepackt und suchen den TÜV. Die Ausgabestelle der Umweltplakette. Die erste Adresse schaut uns komisch an, schickt uns aber zu der TÜV-Prüfstelle im Norden der Stadt. Also was wir hier unnötigerweise an CO2 rauslassen, das sei mal bei dieser Fahrt nichtganzsowichtigundvöllignebensächlich erwähnt.

Der Prüfer runzelt die Stirn: Ein Schweizer. Nu- tretet doch endlich bei. Jaja- hättens gern. Und dann bezahlen, hm?

Macht 6 Euro. Danke-mersi-wiedersehen.

Sind nun TÜV geprüft. Irgendwie. Und haben Freie Fahrt in deutschen Städten. Ju-hu.

Auf dieser Fahrt nach unserem heutigen Etappenziel Weimar sehen wir linkerhand auf einer Waldlichtung einen riesen Turm. Passt so grad gar nicht in diese liebliche Gegend mit hüpschen kleinen Dörfchens und noch viel hüpscheren Kirchturmdächern.

Ein Vertreter des Brutalismus. Also um Nachkriegszeit. Hmm, da war doch mal… grübel, hmmm, ääh….

Man möge mir als Schweizer verzeihen, dass ich nicht gleich «KZ Buchenwald» schreie, aber wir in der Schweiz- Weisst du- haben noch das Chueli, das Käsli, das Vreneli. Und in der Schule dreimal die Römer als Geschichtsunterricht. Dabei wäre eben das jetzt von uns entdeckte Mahnmal und sein dazugehöriges Lager viel interessanter, lehrreicher.

Wir beschliessen, mit einigen doch etwas mulmigen Gefühlen, da zu dem Hügel rauf zu hybriden, ein seltsames Gefühl von Pietät und Vorsicht schleicht sich uns an. Wollen wir wirklich eines der grausamsten Konzentrationslagern (wie kann man das nur in einer Steigerungsform formulieren- es war jedes der Lager schlimm!) besichtigen? Ist es wirklich nötig, da rumzulatschen, und den Führer zu verdammen?

Etwas verloren stehen wir auf dem grossen Parkplatz, wissen nicht, ob wir uns das antun sollen, oder doch besser wieder gehen.

Da grad eine Führung durchs Gelände stattfindet, schliessen wir uns dieser an.

Wir habens echt nicht bereut! Es war dermassen eindrücklich, wie hier bis zu 84’000 Leute unter widrigsten Umständen lebten, ausgesetzt der Launen der Bewacher, der individuellen Willkür der SS-Leute ausgesetzt. Hier, im Arbeitslager wurde nicht wie in Auschwitz vergast. Hier arbeitete man sich zu Tode. Oder wurde mit Marschmusik mit einem Genickschuss getötet.Drückte dem Mithäftling die Kehle zu, um eine Kartoffelschale zu kriegen.

Was uns der sehr versierte Herr erzählt hat, lässt mir mehrere Male Hühnerhaut aufkommen, Kannibalismus ist nur eine kleine Gegebenheit, eine unter vielen-Wahnsinn.

Es hatte auch einen Zoo, der war sogar öffentlich zugänglich. Dass da ein Arbeitslager mit 4 Quadratkilometer steht, war in der Stadt bekannt. Dass diese Arbeiter auch in der Stadt arbeiten und der Bevölkerung zur Hand gehen, auch. Aber ebendieser Stadtbevölkerung wurde eingeredet dass die das verdient hätten und dies gut so ist. Und wehe, man stellte sich kritisch gegenüber der Diktatur- schwupps war man auf der anderen Seite des Hochspannungszauns.

Denn es wurde willkürlich ins Lager verfrachtet, wer nicht mit dem Strom lief. Da reichte ein Anruf an die SS, der Nachbar habe ein neues Fahrrad, und schon warst du Teil der namenlosen Nummerierten. Echtetz.

Unsere sehr kompetente Führung hat es gut vermieden, Schuldzuweisungen zu machen. Viel mehr legt er Wert drauf, dass dieses unwürdige Kapitel sich nicht wiederholen soll.

Ich muss echt sagen, ich bin mir da deswegen echt nicht so ganz sicher. Was nützt einem die Hetzjagd auf einige Wenige, welche sich schon lange absetzten. Zur Beruhigung?

Wenn man die echte Gefahr nicht zu Bannen kriegt:

Den Futterneid.

Wieso hat der Andere, und ich nicht? Das ist das echte Problem, auch heute noch. Denn dann ist es ein kleiner Schritt zum denunzieren.

Und wenn das mehrere tun? Ja- dann würde sich diese Gräueltat sehr wohl wiederholen.

Denn die Denunzierung hat erst das gemacht, worauf wir hier stehen.

Denk mal darüber nach.

Aber auf jedenfall hat sich der Ausflug gelohnt, es regt echt zum Nachdenken an.

In Weimar angekommen stellen wir mal das Auto in eine Ecke, und erkunden die Stadt zu Fuss.

Gefällt uns.

Eine Herberge ist auch gefunden, mit Garage sogar! Und subito unsere Zweiräder gepackt, und ab die Post. Ist schon kool, was man mit Velo entdeckt, man kommt viel weiter als zu Fuss. Für eine erste Beguckung und als Orientierung, wo ist was, tipptopp.

Wir sind sogar in den Stadtpark– ein riesiger grüner Park mitten in der Stadt. Idyllisch von Ilm, dem Fluss, durchflossen.

Wir lassen den Tag bei feinem Essen ausklingen, besprechen nochmals die «harte Kost» KZ Buchenwald…

Aber geniessen den Abend in vollen Zügen. Ist herrlich hier. Und die Leute, Leute:

Keiner ist arrogant.

Keiner ist unhöflich.

Keiner ist Schweizer.

Sowas.

Kategorien: Ostdeutschland

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