Bei Politikern und sonstigen schampar wichtigen Amtspersonen steht die ganze Journischar zuverlässig in hundert Tagen nach der Wahlfeier wieder an seiner Türe und interviewt den Amtsinhaber zu seiner Einarbeitungszeit, bittet um ein Feedback, und ob da amänd schon eventuelle Erfolge zu verzeichnen der da wären. Ist hart, nach nur so kurzer Zeit ein Resümee zu ziehen, sind diese Befragungen doch die erste Bewährungsproben. Meist sind diese Interviews wortgeladen und schwülstig, schampar tiefgründig und klimaneutral sowieso…. Die Wahlversprechen werden nochmals runtergeleiert. Ein paar Monate später jedoch längst vergessen und höchstens nur noch im Jahrbuch der Zeitungsverlegerei als Fahne abgelegt.

Ich bin aber weder Politiker noch in einer Partei, und hundert Tage sinds auch nicht her… Aber egal. Wenn ich dich bis hierhin locken konnte, ist die Warscheinlichkeit überzeugend, dass du hier den Bericht auch schön zu Ende mitliest.

Seit über 15 Jahren pendle ich ja mit den ÖV vom Wohnort zum Arbeitsplatz. Dafür brauche ich zirka 1 1/2h von Tür zu Tür. Es gibt dabei viel- seehr viel zu verzellen- Vergiss nicht, auch dieser blog verdankt seine Existenz dem Pendeln (er hiess mal «Reisezug»…) Ich hatte viel Zeit, in der guten Stunde morgens und abends mir was zurechtzubüschelen, und das Niedergeschriebene wöchentlich Mittwochs ins Netz zu stellen.

Doch dann kam das Jahr 2020, und mit ihm die grösste Umstellung der Menschheit seit der Menschheit: Covid-19.

Auch ich war unmittelbar betroffen, habe hierdrüber aber schon genug berichtet.

Trotzdem soll es weitergehen, wir müssen die Wirtschaft wieder ankurbeln, eine Lähmung der gesamten Ökonomie nützt niemandem was. Systemrelevanz hin oder her.

Ich hatte im Gegensatz zu meinen Arbeitskollegen halt mit dem Homeoffice doch einschneidende Massnahmen getroffen, so fiel es mir auch leichter, neue Wege zu gehen und andere Blickwinkel zu gewinnen.

Irgendwie ein fortwährender Eiertanz zwischen Abstand halten/Masken tragen/Hände waschen.

Es ist täglich eine Herausforderung, seine goldene, richtige Einstellung zu festigen, wie gerne knicken wir doch ein, wollen wieder zum Zustand vor Coronavirus zurück. Ich bin da keinen Deut besser.

Nur- das geht jetzt nicht mehr. Das ist vorbei. Wir können unseren Nachfahren erzählen, wie schön und unbeschwert es früher war- Fast schon wie unsere Vorfahren nach dem Krieg…

Wir sind mittendrin Geschichte zu schreiben, auch wenn wir’s so gar nicht wollen.

Nun gut. Wir beide entscheiden, dass wir (auch aus Umweltgründen) kein zweites Auto möchten, ging es über 15 Jahre doch auch, und wir haben uns gut damit arranchiert. Jedoch mein auslaufendes teures Jahresabo der SBB (welches statt vier unbenutzten Monaten, nur mal zwei mikrige Wöchelis gutgeschrieben hat ) nun nicht mehr zu erneuern.

Da mein Allerbester nun begeistert mit Lucy fährt, probiere ich es mit Hubi.

Im Klartext, ich fahre mit dem Auto zur Arbeit. Etwas, was ich eigentlich würkli nie wollte. Etwas, was nie so angedacht war. Es sind eigentlich nur zirka 56 Kilometer Fahrweg und etwa 35 Minuten Fahrzeit, und es ist quasi alles Autobahn.

Es ist eher der Begriff «Gubristtunnel», der mir recht Angst und Respekt einflösst. Passieren auf diesen vier Spuren immerhin 100’000 Fahrzeuge täglich die zwei Röhren, und nimmt der Verkehr kontiuierlich um etwa 5% jährlich zu. Man eine verlässliche Verkehrsmeldung der die im 1985 eröffneten cirka drei Kilometer langen Verbindung doch immer wieder hört, morgens und Abends, ein Graus…

Trotzdem möcht ich’s versuchen, die letzten paar Wochen Sommerferien sind noch im Gange, also sollte das Verkehrsaufkommen nicht so arg stark sein.

Eine gewisse Parallelität zum ÖV ist durchaus gegeben, denn auch da gibt es Leute, die einem freundlich den Vortritt lassen, jedoch man näher an Zürich kommt, deso hektischer, hirniloser und rücksichtsloser werden die Leute. Und ich spreche von den identischen Personen. Welche mit mir abfahren und wir gemeinsam reisen. Ist dermassen frappant, wie sich der Mensch selber ändert, sich mitreissen lässt.

Ich merke das ja selber auch, lasse mich manchmal auch mitziehen.

Gspässig.

Ich habe das Glück, dass im Februar nach dem Tunnel die Fahrspuren auf vier Spuren (vier Jahre lang) ausgebaut wurden, denn so staut sich der Verkehr weniger im und vor dem Tunnel. Denn es ist schon gwaltig, was sich da täglich wuselt vor dem Tunnel. So fahre ich ziemlich flott durch die ganze Strecke, füge mich in den Verkehr ein, fliesse mit- und geniesse es auch ein bisschen, selber zu fahren. Weil ich früh dran bin- macht mir nichts aus- kann ich auch relativ ungehindert durch den Morgenverkehr, ich denke später stockt und würgt es nervenaufreibend.

Wie fragil das Ganze ist, und es eigentlich kein einziges Fehlmanöver der Verkehrsteilnehmer erlaubt, weil der Tunnel über seinen Kapazitäten schlucken muss, merke ich eines Morgens, als ich ungewohnt in der Kolonne vor dem Tunnel stehe, im Nu werden es Kilometer, es staut sich bis weit vor Zürich der Verkehr. Eine Spur im Tunnel ist gesperrt, es müssen sich alle auf einer Spur durchwürgen. Im Tunnel dann selber der Unfall, ein Motorradfahrer, welcher ins Heck des Vordermanns Auto fuhr, und so den Unfall verursachte. Es gab keinen Personenschaden, und Polizei und Abschleppwagen waren schnell zur Stelle. Trotzdem waren 45 Minuten vergangen.

Das Verhalten einiger Drängler/Würger ist hier fast normal, es wird mächtig von allen Seiten gedrückt. Für mich ist der Gubrist immer auch quasi wie ein Grenzübergang, sobald ich den geschafft habe, entspannt sich die Lage, eventuell auch weil von zwei auf vier Spuren sich die Autobahn weitet. Es ist wie auf einer Wasserrutsche, im Kanal mal links mal rechts, hin und her, und danach im Becken, Aaaaaah, welche «Ruhe».

Bin immer wieder froh «durch» zu sein. Ein Gefühl, welches ich vom Gotthardtunnel kenne, nur da ist es noch extremer, weil Gegenverkehr (dass sowas heute überhaupt noch erlaubt ist!!,) herrscht.

Ich probiere, so möglichst mitzufliessen, den Verkehr nicht zu bedrängen aber auch nicht zu behindern, und irgenwie ist es recht beruhigend, sich im Fluss zu bewegen. Und wenn alle fliessen, dann fliesst es auch. Bis wieder einer kommt, der noch schnell vorne innenwürgt, dann fängt das Gebremse, Spurgewechsel, Verlangsamen wieder an, wie ein Handorgel zieht sich so ein Fehlverhalten nach hinten.

Der Rückweg nach Hause ist auch immer spannend: Durch Gleitzeit seitens des Arbeitgebers ergibt es die Möglichkeit e bitz vor dem Berufsverkehr sich auf den Heimweg zu machen.

Hier widerholt sich das Spiel, vorbeiwürgen, vorne reinquetschen, schnell noch die Spur wechseln… Und wieder- Sobald der Gubrist durch ist, löst es mir die Spannung, obwohl es da Baustellen zuhauf hat. Ich habe gewiss keine Klaustrophobie, und mir macht das Tunnelfahren nichts aus, aber es ist so befreiend, aus der Röhre zu fahren, den stehenden Gegenverkehr (chli Schadenfreude, hihi) zu sehen und zu wissen, bald zuhause zu sein.

Was mich am Ganzen würkli erstaunt, ist die Unzuverlässigkeit, die Nichtvoraussehbarkeit des Verkehrsaufkommens. Kann durchaus sein, dass ich Montags, wenn wieder alle zu arbeiten beginnen, fast nur schleichend vorankomme, eine Woche später gleichentags, gleicherzeits aber mit 120 km/h die gleiche Stelle passiere. Mir alsodann eine Regel bereit lege- falls es stockt beim Glattzentrum, ich dann schneller danach beim zweiten Stau vor dem Tunnel bin.

Mumpitz.

Es gibt absolut keine Regelmässigkeit. Es kann sein, dass Freitags, wenn alle chli früher Feierabend machen weniger anstehe als tags zuvor. Dies am nächsten Freitag aber wieder wiederlegt wird.

Es gibt sowohl als auch. Die Fahrtzeit des Pendeln pendelt zwischen 40 Minuten und einer Stunde.

Viel weniger wie gedacht.

Und was ich auch nie für möglich gehalten hätte: Mir gefällts, mit dem Auto den Arbeitsweg zu machen, obwohls mehr Konzentration braucht wie im ÖV. Kann aber durchaus sein, dass dies nur initial ein positives Empfinden sein wird.

Wer weis denn das schon-

Nach nur 50 Tagen.

Kategorien: Täglich

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