Nachdem wir letzte Woche in und hinter den heiligen Hallen des Klosters in Einsiedeln wandelten, schon wieder ein Kirchenbesuch (es waren amänd sogar deren vier heute…!)?
Muss man da Bedenken äussern, dass der Sektenstrudel sich beginnt zu drehen?
Ach nö, I wo!
Ich mag Kirchengebäude sehr gerne, staune, was man vor Hunderten von Jahren für immense Fertigkeiten und Wissen haben musste, um so ein «Haus Gottes» in seiner baulichen Meisterleistung zu erschaffen.
Diese gesunde Erfurcht habe ich sicher von meinem Grossvater geerbt, welcher über 35 Jahre Sigrist war in der St. Oswaldskirche in Zug. Ich durfte da in fast jeden Winkel, zu den Glocken im Glockenturm, unters Dach zu den Tauben über dem Kirchenschiff, dem Blasebalg der Orgel, dem Tassensieder im Putzkübel im Klo.
Für mich war die Kirche als Gebäude nie nur da, um kniend was Ausweniggelerntes runterzuleiern, wessen Sinn ich bis heute nicht erblicke, sondern es interessiert mich mehr das Gebäude, die Machart, die Grossartigkeit des Fake (Marmorsäulen? Iwo- das ist angemaltes Buchenholz. Grossartige farbenstrotzende Altarfiguren? Ja, aber nur von vorn. Hinten sind die Figuren flach und mit einer grauen Farbe überstrichen), und je barocker die Kirche, desto zahlreicher die vorgetäuschten Prunkelemente.
Vielmals steht man ja auch draussen vor einer Kirche -meist das grösste und höchste Haus des alten Dorfkerns, und fragt sich, wie um Gottes Willen so ein Prunktempel in so ein abgelegenes, einfaches Kleinkaff kommt. Es war halt vieles vorgetäuscht, das sind keine echten Pfeiler, ist nur aufgemalt. Und die Höhe des Kirchenschiffes lässt einem dermassen klein und eingeschüchtert dastehen, dass man auf die Tinnefklunker am Leuchter hereinfällt, der goldenen Mariakrone nicht ansieht, dass sie nur angemalt und nur vorne hübsch ist.
Eigentlich eine Theater-Kulissenbauerei, aber vom Feinsten. Und immer einschüchternd und ehrerbietend und schuldhervorrufend. So soll das Gefühl eines Jeden sein, der in diese Gebetsstätte eintritt. Man kann sich in diesen Gebäuden nicht wohlfühlen, man fühlt sich nicht geborgen, denn ohne Schuld keine Sühne, und mit diesem Gefühl wird nicht zu knapp inszeniert, denn das würde den Geldsäckel (den sogenannten Ablass) sonst ja nicht öffnen.
Ich bin aber hier nicht auf einem Kreuzzug gegen irgend eine Glaubensrichtung -Es solle ein Jeder glauben was er glauben tut- sondern ich möchte verschiedene deren Häuser begucken. Am besten alleine, ohne Messen/Weihrauch/Brimborium.
Wir zwei gehen drum sehr gerne auch auf unseren Ferienreisen zur Kirche, einfach um zu Staunen, was man da Grossartiges erschaffen hat. Von der Akustik reden wir schon grad gar nicht- manch «moderner» Architekt bringt diese Schwingungen, diese Erfülltheit des Raumes schlicht und einfach nicht mehr hin.
Wir sind durchaus in Assisi anzutreffen, wo wir das fantastische Blau der Gewölbedecken bestaunen, im Vatikan- der Mutter aller Dome, oder in Lourdes, wo sich die menschliche Prozession am Abend absolut filmwürdig vor unseren Augen abspielt.
So sitzen wir in Zug vor dem Einkaufstempel, mögen gar nicht ins Gewusel des Pulkes rein, und sinnieren draussen, was wir noch anstellen könnten.
Ich hab da so eine Idee:
Gerne hätte ich die Bruder-Klaus Kirche in Oberwil bei Zug mal besucht, Vorallem bekannt wurde dieses im Jahr 1955/56 erbaute Gotteshaus in Sichtbeton -damals europaweit revolutionär modern- vorallem wegen seiner Bilder im Kirchenraum. Diese sind vom Künstler Ferdinand Gehr erschaffen worden, und welche einen regelrechten Bilderstreit entfacht haben, und sogar schweizweit Beachtung findet (interessant auch der Podcast, mit der Story), und zu teils bitterbösen Diskussionen geführt hat.
Dass der Zuger Architekt Brütsch hier einen architektonischen Leckerbissen erschaffen hat, geht dabei fast nebensächlich unter…
Wir sind beeindruckt von der Farbigkeit der Wandfresken, ob die uns auch gefallen, oder wir es für ein Werk von Grundschülern halten, sei mal dahingestellt, aber der Kirchenraum mit seinem getäferten Decke strahlt abstrakterweise doch irgendwas wie Wärme und Behaglichkeit aus. Warme Farben und weiche Formen der Wandfresken unterstützen dieses Gefühl, und während die Sonne durch die farbigen Glasfenster scheint, vermeinen wir Parallelen zur Ronchamps Kirche von Corbusier zu finden- welche im gleichen Zeitraum in Frankreich erbaut wurde..
Das Opferstöckli mit QR-Code zum Geld twinten holt uns wieder von den höheren Sphären runter, wir verlassen diese Kirche mit einem sinnigen Lächeln.
Wenn wir schon hier sind, an den Gestaden des Zugersees, kommt mir in den Sinn, ein weiteres Interessantes Werk zu begüxeln, keine 15 Minuten von hier. Und zwar ist es die reformierte Kirche von Walchwil.
Also mit diesem steilen Dorf werde ich wohl nie warm. Auch wenn ich Verwandte hier habe (gibt eh nix zu essen da… (kleiner Insider)), also entweder gehts steil bergauf, oder steil bergab. Flach/eben, das kennen die da nicht.
Aber ja, wir müssen ja nicht hier wohnen, möchten bloss besagtes Gebäude begucken.
Schlussamänd finden wir es auch, also von Weitem sieht man es besser wie von nah.
Auf einer wunderschönen Kuppe gelegen, laden Bänke und Tische draussen aamächelig ein, die Aussicht über den Zugersee zu geniessen.
Toll! Würkli!
Es ist das bedeutenste Werk von Hanspeter Ammann, auch er ein Zuger Architekt, welcher es geschickt verstanden hat, 1960-64 ein wunderhübsches Gebäude hier zu erstellen.
Es ist sehr kubisch gehalten, und dank der Lage nimmt man den Betonklotz nicht als Fremdkörper sondern eher wie ein Aussichtspunkt wahr. Der Kirchenraum ist auf Stelzen, drunter geschoben die Empfangshalle welche geschickt sich unter den Kirchenkubus einfügt. Im Foyer geben grosse Fenster die Sicht nach draussen wieder, es ist nicht erdrückend, sondern recht intim.
Eine wunderschöne geschwungene Treppe aus Holz, Beton und einem hochglanzpolierten Edelstahlgeländer führt uns hinauf in die eigentliche Kirche. Wir tauchen wie aus dem Wasser auf und kriegen den Kinnladen fast nüm zu. Ein quadratischer Grundriss – exotisch für eine Kirche- wie eine Pyramide in den Spitz hoch über dem Kopf führend eröffnet sich über uns der eigentliche Gebetsraum. Und statt hier auch Fensterglas einzusetzen, hat man sehr geschickt mit transluszenten Scobalit-Kunststoffplatten (sorry- steht so im Internet) gearbeitet, welche ein weiches, milchiges Licht hereinströmen lassen.
Also diese Inszenierung muss man doch einfach erlebt haben, man wird da als Besucher wie eine Attraktion von unten heraufgehoben, und das durchscheinende, matte Licht hüllt einem vollends ein.
Ein Wohlfühlort.
Es bräuchte statt den unbequemen Stühlen eher Sofas und Hängematten, und statt der Orgel einen Wintergarten mit Aussicht auf den See- Ich würde glattamänd noch hier einziehen.
Megaschön!
Zur nächsten kirchlichen Stätte, geweiht vom späteren Papst Innozenz XIII, diesmal klassisch katholisch, mit viel Pompom, Prunk und Tromp d’oeils bis an den Friedhof runter treibt uns ein Bedürfnis, welches immer dringlicher wird. Denn gemäss WC-App gibt es bei dieser Kirche in Arth eine Toilette- Ich sollte dringenst was loswerden.
Der Arbeiter ist grad dran, die WC-Anlage zu reinigen, uff!! So mache ich einen kleinen Hootsch durch den Friedhof und begucke die verschiedenen Grabsteine. In der 1694-97 erbauten prunkvollen Kirche, das Schiff ist erdrückend hoch, die gewohnte Üppigkeit der Glaubensgemeinschaft, und schön säuberlich ist dank Corona jede zweite Bankreihe abgesperrt, im Eingang stehen neben Desinfektionsmittel auch ein automatischer Weihwasserspender parat. Also diese Pandemie bringt auch unkonventionelle Erfindungen vor- muss man schon sagen.
Wieder draussen ist die Toilette wieder frei, und ich kann endlich….
An dieser Kirche ist speziell, das der Glockenturm losgelöst von der Kirche steht, verbunden mit einem Dach, unter dem man durchgehen kann. Der Turm ist einiges älter, schiinz stand die ehemalige Pfarrkirche quer zur Jetzigen, und wurde abgerissen. Auch da gibt es interessante Storys zum 1000 Leute fassenden Bau.
Weiter gehts um den Zugersee- das nächste Ziel ist Risch. Da wo Reiche von Reicheren und von noch Reicheren übertrumpft werden, manch protziger Bau zeugt von mangelnder Noblesse, aber irgenwo müssen die ja auch sein.
Wir besuchen in der Strassenkurve die Kirche St. Verena. Die mit Abstand Älteste der von uns besuchten Gotterhäusern heute, es reichen dessen Grundmauern bis ins 8./9. Jahrhundert retour. Ein Bilderbuch-Hochzeit-Kirchlein mit passendem Walkway von der am See gelegenen Schiffsststation hoch zur Kirche. Wir sitzen nach dem Besuch- auch hier wieder der bekannte überschwängliche Trugschluss- auf der Mauer nieder und begucken das wunderschöne Panorama auf die andere Seeseite, sehen die reformierte Kirche von Walchwil, die Bruder Klaus Kirche in Oberwil, und hinter der Landzunge vom Chiemen wäre die Pfarrkirche St. Georg und Zeno von Arth.
Es ist wunderschön hier,
Also Kirchen platzieren, das können sie hier am Zugersee.
Luja!
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