
Es ist der 1.August und wir befinden uns in meiner Geburtsstadt Zug. Dem schampar schaurig pittoresken Altstädtchen mit Hübschheitsfaktor 10. Das Städchen, dem man vor 50 Jahren plante, völlig den Garaus zu machen, nur zwei bis drei Wahrzeichen stehen lassen wollte, den Rest plattwalzen und neu bebaut werden sollte.
Lach nicht!
Dazu gabs konkrete Pläne!! Heute völlig undenkbar, damals dem Geist des Aufbruchs und den neuen Technologien folgend durchaus normal. Ein gutes Beispiel dieser Zeit ist das Gebäude an der Zeughausgasse, das Haus Zentrum welches wir anlässlich der Denkmaltage im September 2029 besichtigen durften. Ein vollig absurd allein stehender Klotz inmitten der Altstadt. Eigentlich hätten noch mehr Gebäude in der gleichen Art dem traditionellen Hausbau in der Geissweid ersetzen sollen, aus heutiger Sicht ein Glücksfall, dass es nicht soweit kam. Der Architekt musste durch Eingaben und aufgezwungenen Änderungen das besagte Gebäude dermassen verändern, dass er es selber als „meine Sünde in der Altstadt“ bezeichnete. Er musste es gegen seinen Willen und anderem Aussehen seiner Baupläne trotzdem beenden, ein Ausstieg war nicht möglich.
Schon bei dieser Besichtigung hiess es, dass dieser „Schandfleck“ nun abgerissen und besser ins Ortsbild integriert wieder neu aufgebaut werden soll, das Gebäude stand schon damals bereits leer.
Doch immer noch steht der grün/silberne Fremdkörper hier- Den wird die Stadt wohl so schnell nicht los, hihi. Und irgendwie gefällt mir diese klare, gerade Form. Müsste nicht grad hier stehen, aber ja…

So sahen die Pläne des Neubaus vor fünf Jahren mal aus. Sind gespannt was hier geht.
Dass aber auch hier in der Altstadt übelscht geschummelt wurde, beweist ein anderes Gebäude- in direkter Sichtweite vom Haus Zentrum.
An der Neugasse 15 steht ein stattlicher Bau, das Nachbarhaus haben wir im September 2021 besichtigen dürfen.

(Bearbeiteter Screenshot aus Guugel)
Sieht doch stattlich aus. Alt, massiv mit Stein und so, oder?
Bullshit!
Ist ein Bau aus der gleichen Zeit wie das verhasste Haus Zentrum. Aus Ziegelsteinen/Beton und Zement. Einfach geschickt getäuscht.
Hättest auch nicht gedacht, hä?
Wenn du mit etwas offenen Augen durch diese Altstadt schlenderst, wirst du immer wieder solche Bauten sehen, manchmal extrem gut restauriert und im ursprünglichen Bau behalten, manchmal extra anderst, um „bewusst einen Kontrapunkt zu setzen“.
Nun gut.
Geschmack ist halt sehr individuell…
Wir bleiben in der Region, der Zeughausgasse, denn am heutigen 1. August, an dem man verschiedene Gebäude, Kloster und Türme in der Stadt Zug besichtigen kann, wird einmalig ein Haus an der Zeughausgasse 15 geöffnet. Mit einer Führung des Denkmalamts wird hier viel interessantes aus der Stadtgeschichte gezeigt, wo man sonst nie und nimmer Gelegenheit dazu hätte.
Diese einmalige Gelegenheit packen wir uns, und 50 andere -ebenfalls Interessierte- trudeln kurz nach Mittag ein.. Wir stehen in den ehemaligen Verkaufsräumen der Bäckerei Lüond, hast du die noch gekannt?

Nach der Begrüssung werden wir in zwei Gruppen aufgeteilt, und wir können direkt in den Hinterhof gehen.

Ähm – Moooment mal!
Hier waren wir doch schon mal???

Ja, anlässlich des Weihnachtsmarkts im 2019 an der Poststrasse lugten wir auch hier rein, eine Lichterkette lockte uns hier durch den Hof in dieses Gebäude- Nie hätten wir damals geahnt, in einer ehemaligen Backstube zu stehen.
Hab leider kein passendes Fotti von damals aus diesem Gebäude, aber hier eines vom gleichen Abend vom Markt.

Schad, gibts den nümm…
Zurück zu heute. Im kleinen Hinterhof steht der Anbau, die ehemalige Backstube die wir nun besichtigen.

Mich beeindrucken die doch recht grossen Fenster, auch in der Wohnung zur Strasse sind mir grosse Fenster aufgefallen. Tünkt mich recht ungewöhnlich für diese Zeit. Mit Vorfenstern, die ausgehängt werden können (das wiederum erinnert mich doch an die Egg irgendwie?)
Im drunterliegenden Keller steht noch eine Art Kühlaggregat aus den 1940er Jahren.
Des weiteren steht hier im Hof noch ein Gebäude, gemäss Aussagen der Führung einmalig in der Stadt Zug: Ein ehemaliger oberirdischer Eiskeller, der anscheinend für die Konditorei gebraucht wurde. Denk dran, erst 1930 setzte der Siegeszug der elektrischen Kühlschränke ein, und bis diese hier eingesetzt wurden, dauerte es sicher weitere 30 Jahre.


Nun gehts nach oben in die Wohnung.




Man stehe erst ganz am Anfang der Restauration, könne somit auch nicht genau sagen, wie alt das Holz, der Bau und die geschichtliche Begebenheit dieses Hauses ablief. Aber das werden sie noch herausfinden, eine sicher sehr interessante Arbeit.




Nur schon diese freigelegte Wand mit zugemachter Türe ist um die 1450 entstanden!
Gwaltig!
Aus diesen alten Räumen möchte man 10 Mikrostudios machen. Eine gute Idee, so zmitzt im Zentrum!








Der Anbau über der Backstube ist recht zweckmässig und einfach gehalten- Wie dieses Haus wohl umgebaut aussehen wird?








Werden es warscheinlich nie erfahren, ausser man macht wieder mal eine Führung, wenns renoviert ist.
Wir wären auf jeden Fall dabei!
Was einerseits mega schön ist, ist das Interesse der Leute an solchen Führungen. Früher sicher noch ein absoluter Geheimtipp, sind diese Sonderführungen am 1. August in der Stadt Zug immer mehr bei den Leuten bekannt, und dadurch auch bitz überlauffen.
Konnten wir vor einigen Jahren noch in Kleingruppen oder gar alleine eine Führung in den Häusern der Altstadt geniessen, sind es heutzutage immer mehr Leute, die sich auch interessiert anschliessen.
Das ist dann die andere Seite, aber die Führung geht gut damit um, teilt die Leute ein, organisiert eine zusätzliche Führung, eigentlich mega schön, dass das funktioniert.
Wir machen nun noch was, was wir so noch nie gemacht haben: An prominenter Stelle auf dem Landsgemeindeplatz steht ein Plakat, auf dem man aufgefordert wird online eine Pizza to go zu ordern und diese am See zu essen.
Was für eine gute Idee! Da machen wir doch mit. Scannen den Code und wählen auf dem Formular eine einfache Pizza Margherita. Der Bestellvorgang geht recht zügig durch, wir vermissen noch, dass man Getränke dazu bestellen könnte. Henu, holen wir uns die halt am Pedaloverleih, kein Problem.
Wir sitzen am See auf dem Bänkli, und warten die vorgegebene 1/2 Stunde bis die Pizza pronto ist.

Der See ist aufgewühlt, ein Gewitter rauscht arschknapp an uns vorbei.
Leichte Zweifel zur Bestellung der Pizza kommen auf, weil ich kein Bestätigungsmail vom Pizzaiolo kriege.
Henu, kein Problem- Ich geh mal zum Restaurant, das nach dem Umbau unter neuer Leitung wieder eröffnet hat. Drin ein grosses Gewusel an Servicekräften, draussen sind die Tische recht gut gefüllt. Ich frag den Scheff, ob denn meine Bestellung schon angekommen sei, ich würde ein Feedback vermissen. „Haben Sie ein Bestätigungsmail bekommen?“, fragt der gelb bebrillte Chef. „Nei, ebe nid, drum komm ich ja“. „Ah, wir haben die Onlinebestellungen wegen dem 1. August abgestellt“.
Äh? Wie bitte? Dann nehmt gefälligst eure Ständer mit den Plakaten weg. Oh Mann!
Ich krieg zwar meine Pizza recht schnell und frisch aus dem Ofen.
Aber dass das Bestellen nicht funktioniert, finde ich geht nun gar nicht.
Und für fast 20.— war es sicher das letzte Mal, dass ich hier wieder ein Gast sein werde.

Wir geniessen den Snäck, teilen den Rand mit hungrigen Enten, und geniessen eifach die wunderschöne Aussicht.
Wär eigentlich eine sehr gute Idee mit der Pizza to go. Aber das muss einfach funktionieren. Und für maximal 12.— inklusive Getränke möglich sein.
Auch mit „Fachkräftemangel“.
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