Wo bin ich denn hier wieder gelandet?!

Eine recht heruntergekommene riesige Fabrik mit verschiedenen grossen, hohen Gebäuden, einem Kamin, zmizt drin ein kurliger Turm, die Fabrikantenvilla auf dem Hügel und diverse andere Gebäude sowie einer Eisenbahnbrücke und Fussgängersteig über den Fluss. Das chli furchteinflössende, verlassene Areal ist über und über mit fragwürdigen Graffittis und würkli grüsligen Tags übersäht. Ein Bild welches mit den zerbrochenen Scheiben, dem recht verwahrlostem Gelände und leeren Gebäuden besser in ein Kriegsgebiet als hier an der ruhigen und beschaulichen Aare zwischen Solothurn und Oensingen hin passt.

Surreal und trotzdem real.

Weshalb es mir trotz der Abgesifftheit usinnig guet gefällt, und ich dir hier von Herzen warm empfehle, den Ort auch mal zu besuchen – Das sollst du hier erfahren.
Aber lass mich dazu e bitz ausholen…
Begonnen hat diese unerwartete Entdeckung am Jurasüdfuss eigentlich bereits eine Woche vorher, als ich mit meinem Mami einen Ausflug in das ihr unbekannte Ambassador-Städtchen Solothurn unternahm. Ein bisschen gemeinsame Zeit, welche uns beiden sehr gut getan hat, und es wieder einmal aufzeigt, dass auch kleine Sachen Grosses bewirken können.
Nach der Guugelifuhr vom Landi, vollbepackt mit Regenfass/Töpfe und Erde (aber ohne Pflanzenrankhilfe- die wurden co2-neutral per pedes zu Mami nach Hause gebracht), sind wir nach dem Ausladen der Ware ready.

Ganz nach dem Motto: Nach der Arbeit folgt das Vergnügen..

So düsen wir gegen Mittag gemütlich Richtung Solothurn los. In Egerkingen gabs einen riesen Stau auf der Autobahn, wir verwütschten grad noch rechtzeitig die Ausfahrt, und tuckern von Dorf zu Dorf, rechter Hand begleitend die mächtige, bewaldete Jurakette. Es gibt viel zu gucken, die Häuser und Gehöfte gefallen uns gut hier. Plötzlich wirds urban und wir stehen vor dem Basler Tor, dem Osteingang der Solothurner Altstadt. Wir parken Hubi im gleich nebenan liegenden unterirdischen Parkhaus.
Wie wir freudig erfahren, ist heute gleich hier eine Brocante, ein Trödel- und Antiquitätenmarkt, der näbendran in der Rythalle stattfindet.
Was für ein Glück für uns zwei, die wir doch so gerne desumegrümschelen!!
In der Halle empfängt uns ein angenehmer Geräuschpegel, der leicht berndeutsch angehauchte Dialekt der Leute hier trägt auch bei, dass wir mit einer schönen Gemütlichkeit und guter Energie in die Ausstellung tauchen können. Wir stöbern von Stand zu Stand, ein angenehmer Mix von Antikhändler -der mit den hochpolierten Tannenholzschränken mit überdimensionierter Quaste am Schlüssel- bis zum Dachbodenräumen mit allerlei Brauchenswertem und Unbrauchbarem steht schön drapiert und staubfrei auf den Tischen.
Uns fällt auf, dass hier die Preise noch echt moderat sind, bei uns dehei werden sogar im Brocki die höheren Preise für weniger Schönes verlangt.
Immer wieder hören wir die Leute sich auf französisch unterhalten- Wir sind gefährlich nahe am Röstigraben. Für uns recht exotisch, fast schon ferienmässig.
Plötzlich zieht es mich zu einem Stand, der eigentlich überhaupt nicht hierhin passt, aber sich hervorragend integriert. Das muss ich genauer angucken.
Es hat auf den Tischen am Stand viele alte Möbel, aber farbig peppig aufgefrischt. Das kenn ich doch?
Zwischen Glaskaraffen, Blechschildern, Osterhasenschokoladengiessformen und Rösseler Geschirrkrügen stehen da so einige Möbeli, die aus dem Ganzen unverhofft bunt herausstechen.
Hat man da jetzt tatsächlich einer Wanduhr mit Uhrkasten die Uhr entfernt, und den Kasten mit Farbe bemalt?
Das müssen wir gnauer angucken!
Ich frage die sympathische Frau hinter dem Stand, öb das ächt Kalkfarben (Chalk Paint) sind, weil ich diese Farbnuancen recht gut kenne. Als dann das Stichwort Annie Sloan fällt, fällt der Groschen.
Tatsächlich verhübscht diese kreative Frau alte ausgediente -eigentlich grüselig holzige- Möbel mittels dieser Kalkfarbe ungemein diese Trouvaillen.

Wir sind ja auch mit diesem Virus befallen, und es stehen doch einige Möbel nun verhübscht bei uns deheime.
Mir gefällt die Idee mit dem Uhrkasten dermassen gut, Mami und ich, wir sind beide hell begeistert!

Was für eine lässige Idee!

Wir plaudern noch ein paar Worte mit der Künstlerin, welche in einem alten Zirkuswagen sogar Malkkurse gibt.
Danach setzen wir unseren Besuch an der Brocante fort und verbringen anschliessend wunderschöne Stunden im schönen Altstädtli von Solothurn…
Also das mit den Uhrkästen, das geht uns nicht mehr aus dem Sinn!
Das probieren wir auf jeden Fall auch…!

Wir waren in der Altstadt sogar bei einem Münzhändler (ich war noch nie in meinem Leben in einem söttigen Laden)- und haben da was ergattert. Was es ist, dass muss ich vergessen- weil es ein Geschenk zu meinem Geburtstag im Sommer sein wird.

Und die zentral an der Aare gelegene Jugendherberge hilft Mami bei ihrer Idee, eine mehrtägige Velotour der Aare nach zu machen.

Toll! Das chunnd guet!

Und immer wieder kommt mir diese Idee des bemalten Uhrkastens in den Sinn…

Dies mal zur Einleitung.

Also was tun wir zuhause? Wir googeln uns durch die Auktionshäusern nach Wanduhren. Eine Laufgarantie brauchen wir nicht, das Uhrwerk wird eh entfernt, und mit einem Tablar ersetzt. Sie soll hübsch sein, nicht zuviel kosten, und die Fenster sollten intakt sein.

Also wirklich eine gute Voraussetzung für ein, zwei schöne Objekte zum verschönern. Nun der Fülle an söttigen Wanduhren hats viele, es ist ja nicht en vogue, einen solchen Krachmacher an der Wand zu haben. Als ich meine Gustav-Becker-Uhr zum revidieren brachte, hat mir der Uhrmacher gnadenlos gesagt, dass der Wert der Uhr nur noch emotional sei, und eine Reparatur sich nur lohne, wenn man eine spezielle Beziehung (und das war sie ja als Uhr von Mueti und Vati für mich) dazu hat. Falls man die Uhr im Auktionshaus ersteigert haben soll, dann übersteigen die Reparaturkosten den Warenwert um ein Weites. Eigentlich verrückt für eine Uhr aus dem Jahr 1898, die immer noch sehr zuverlässig läuft und Viertelstunden-/ sowie Stundenschläge akustisch mitteilt, kein Erlös von mehreren 100 Franken drinnliegt.

Aber ich schweife wieder….

Also deren Uhren hats mehrere Dutzend, die einen etwas schöner, andere fallen schon von Anfang an aus dem Ranking.

Mir fällt sofort eine auf, chli im Jugendstil, ohne viel Schischi (Chichi ist immer noch ein Ort im Burgund), und sogar zwei runde Glasfensterli auf der Seite.

Der Preis ist absolut fair, ich behalt sie im Speicher und güxle weiter.

Immer wieder komme ich beim stöbern auf diese Uhr aus Luterbach- Gfallt mer halt eben scho.

Aber wir müssten wieder nach Solothurn, denn der Ort ist keine fünf Minuten vom Kantonshauptort entfernt.

Hmm. Mischt!

Ich frag mal an- öb sie überhaupt noch verfügbar sei, und sehe- da ist noch eine zweite Uhr vom selben Anbieter drin. Diese verschnörklet und mehr so im Stile meiner Gustav-Becker-Uhr, einfach chli kleiner. Das wäre doch auch noch kool, wenn ich beide Uhren am gleichen Ort holen könnte.

Kein Problem- wir können die zwei Wanduhren anderntags abholen- heisst es- und so machen wir einen Termin am Nachmittag ab.

Dass wir schon morgens losfahren, weil wir dermassen nervös sind, das versteht sich von selbst.

Ich finde aber raus, dass es heute am Zielort noch einen Technik- und Vintagemarkt (50er/60er/70er-Jahre) hat.

Wär mal was zum innegüxle.

So sind wir genau eine Woche später wieder in dieser sehr schönen Gegend. Weil ich will diese schöne günstige Uhr, respektive den Uhrkasten.

In den anscheinend neuen Gebäudlichkeiten des Technikmuseums «Enter» findet ein kurliger Markt statt. Viele Kabel, alte Apparaturen, und sogar wir konnten teilweise nicht erklären, was denn hier für Apparateungetüme liegen, und für was die wohl dienlich sein sollen. Aber die Wandelung durch die Halle war recht amüsant.

Das Museum reizt uns gar nicht- wir sind nach dem Schlendern durch den Markt wieder draussen. Ganz nahe gibt’s ein Brocki- wer weiss, vielleicht hats da ja auch Uhren, hahaha.

Wir sind immer nochli früh, aber finden ein würkli hüpsches Brocki in Biberist. Also das merken wir uns!!

Wieder draussen haben wir Hunger und Lust auf eine Bratwurst. Was macht man da, vor der Tür des Brockis an einer Hauptstrasse? Man googelt «Bratwurst» «jetzt geöffnet», und findet mit «1881» einen Eintrag, der uns dermassen wundernimmt, das wir dahinfahren mit Hilfe des Navis. Wir sind wieder in Luterbach, und fahren am vorher besuchten 1. Brocki und vielen Abstellgleisen vorbei. Stehen vor einer nigelnagelneuen Biogenfirma. Dass diese Verbindungen zu Ort Muri im Freiamt und dem Apotheker Strebel und somit auch zum OYM in Cham und dem EVZ hat erfahre ich erst nach einer Recherche über dieses Ende der 1970er Jahre in der Schweiz gegründete Unternehmen.

Uns interessiert aber die Kantine rechter Hand, und was das für eine abgetakelte Firma auf der anderen Seite der Aare ist.

Es ist die Cellulosefabrik Attisholz, die 2008 geschlossen werden musste, nachdem sie am Ende durch einige Hände gereicht wurde. Es war die einzige Cellulosefabrik der Schweiz, und mach einer erinnert sich noch an die Werke Tela in Balsthal und Niederbipp. Auch die Hakle gehörte in den Glanzzeiten zu dieser Holding.

Nun liegt diese Fabrik recht runtergewirtschaftet da, und wurde jahrelang halt von allerlei Bewohnern besetzt.

Mir fallen sofort Parallelitäten zur Papierfabrik Cham auf, die 2013 endgültig geschlossen wurde und nun ein ganz ganz interessanter Stadtteil von Cham aufgebaut wird.

Auch diese Papierfabrik liegt an einem Fluss, und die Gebäude weisen auch viele grosse Fensterflächen auf.

Wir stärken uns in der echt koolen Kantine mit einer Bratwurst und Grillgemüse. Lassen das imposante Industrieareal mal chli auf uns wirken.

Nach dem Essen überqueren wir die Brücke und stehen vor einer sehr gut gemachten Bar. Man hat einen tonnenförmigen Transportwagen so aufgeschnitten, dass eine grosszügige Bar mit samt Baristas gut Platz drin haben!

Wie lässig ist dass denn?

Gleich ums Eck der nächste Eyecatcher!

Hier stehen etwa fünf, sechs alte Wohnwagen rum, alle zu einer Wagenburg versammelt. Einer wurde aufgeschnitten und mit Plexigras vor Umwelteinflüssen geschützt. Die Möbilierung ist mit Sofa und Ständerlampe wie eine Stube aus den 70ern recht wohnlich arrangiert. Ein zweiter Wohnwagen ist auch offen, einfache Holzbänke und eine tapezierte Wand stehen den Rauchern überdacht schützend zur Verfügung.

Wie wir erfahren, können die Wohnwagen stundenweise

-Hihi-er hat «stundenweise» geschrieben!-

gemietet werden, drin stehen Tisch/Caquelon und ein Brenner zur Verfügung. Ähnlich dem Gondeli-Gärtli in der Männerbadi in Zug kann hier in gemütlicher Runde ein Fondue gegessen werden.

Camping Attisholz- Fondue Karavan nennt sich das.

Absolut coole Idee!

Weiter hinten eine würkli riesen Bühne und Sitztreppen für gelungene Open Air Konzerte. Und In alten Silos kann noch ein Labyrinth gemacht werden.

En huufe Leerraum, der langsam sich mit Alternativen füllt. Hier wird ständig Leben eingehaucht, und man will bis im Jahr 2045 500 Arbeitsplätze mit 50‘000m2 Bürofläche ermöglichen. Des Weiteren sind 1200 Wohnungen für etwa 2‘500 Einwohner geplant. Hier entsteht equal dem Papieri Areal in Cham ein neues Quartier!

Nur wird im solothurnischen die Einwohneranzahl des beschaulichen Riedholz, in dem die ehemalige Fabrik liegt, gradum verdoppelt, während in Cham ein plus von etwa 10% der Einwohner geplant sind.

Ein tolles Gebiet (Cham und Attisholz)! Viel Platz für neues, alternatives, unkonventionelles und lebendiges Leben.

Wir stehen hier noch recht fest am Anfang dieses Entwicklungsprozesses, aber das kommt gut!

Hier macht es aber auch Spass, immer wieder mal vorbeizugüxeln.

Nun aber zum Grund unserer Anreise:

Es geht zur ersteigerten Ware nach Luterbach, grad näbendran.

Die zwei Uhren sind säuberlich auf einem Frotteetuch auf dem Stubentisch parat. Die einte sei von seinem Grossvater, die Andere habe er mal «von einem Kollegen» geschenkt bekommen.

Nun gut.

Ich sehe, dass beide Uhren nicht mehr so lauftüchtig sein werden, da hats Isolierband um eine Uhr gewickelt… Oje!

Aber ist egal- Der Inhalt fliegt eh in den Müll. Ich merke auch, dass er froh ist, dass ich nicht frage, öb sie noch gehen. Denn er müsste mich dann anlügen.

Dafür verschweige ich, dass die eigentliche Hauptsache -die Uhr- für mich völlig irrelevant ist. Wir bezahlen einen fairen Preis für beide Uhren inklusive Gehäuse und verabschieden uns höflich von ihm.

Zuhause dann wird schnell mal der Inhalt entsorgt, ich will gar nicht auf die Idee kommen, da noch irgendwas zum laufen zu kriegen.

Und überhaupt: Ich hab schon eine top- revidierte Uhr, welche mich nun um Jahrzehnte überleben wird (hoff ich ämel).

Ich freu mich aufs Bemalen (die Farbe ist noch nicht sicher) der Platz wo sie hängen wird jedoch schon.

Das wird eine koole Sache!

Alldas ging recht schnell, und unser Ausflug in den schönen Kanton Solothurn hat sich auf alle Fälle gelohnt.

Haben hübsche Brockis entdeckt, waren an einem wunderlich interessanten Technik-Trödelmarkt, und mit der Cellulosefabrik Attisholz haben wieder was entdeckt, was unser Gwunder in einer guten Form befriedigen konnte.

Wunderschön, energietankend und absolut nachahmenswert- ich gebe gerne interessante Tipps!

Ps: Die nationale Veloroute 8, die der Aare vom Grimsel bis zum Zusammenfluss mit dem Rhein folgt, führt auch hier vorbei! Das Beitragsbild wurde auf diesem herrlichen Veloweg gemacht.

Ein Stopp hier lohnt sich!

Kategorien: Angeguckt

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