Wenn ich dir hier schreibe, dass dieses Hüttli auf dem Fotti den Jahrgang 1988 hat, und zwei Kanonen in seinem Bauch versteckt…
Es noch hinder der Kurve ein baugleiches zweites Hüttli hat, auch mit zwei Kanonen, und ein Museum beinhalten tut…
Wir hier aber auf 1340 Meter über dem Meer am Änd der Welt sind…
Kannst du mich kopfschüttelnd auslachen.
Oder weiterlesen, denn es ist tatsächlich so.
Und interessant sowieso- Wir kommen schlusamänd staunend aus den Hüttlis raus.
Aber zäumen wir das Ross von Anfang an richtig auf, also ich fange von vorne an:
Wir waren vor zwei Monaten schon mal hier oben bei diesen Hütten, denn ich habe immer wieder (wenn auch spärliche) Informationshappen aufgenommen, dass hoch über dem Ägerisee, zuhinterst im Hürital ein Museum von Guillaume Henri Dufour (unserem ersten Armee-General) sei. Wo das genau ist, und wann man das begucken kann, ebengrad das haben wir in unseren Ferien vor zwei Monaten rekognosziert. Der Weg von Sattel rauf ist recht abenteuerlich, dafür lohnt die steile Aussicht bei schönem Wetter über das Ägerital! Wir notieren uns die Besichtigungszeiten -sind spärlich, weil würkli ab vom Schuss- und machen uns wieder auf Richtung Tal. Nach Unterägeri ist der Weg super beschrieben und auch nicht so fest halsbrecherisch, den Weg werden wir für die erneute Anfahrt nächstes Mal benützen.
So gingen die Wochen ins Land, der Sommer bescherte uns unzählige Regengüsse/Überschwemmungen/Hagelschäden, also das war echt ein Sommer zum vergessen. Klar, waren die Temperaturen recht angenehm (oder besser frisch!), aber man wusste nie, öbs nun endlich mal wenigstens für einen halben Tag echli trocken bleibt.
Der Wetterdienst war noch viel unverlässlicher wie sonst.
Ach…
So stand der Besuch der zwei Hüttli auf dem Programm, am ersten Tag haben wir grad abgewunken, weil im Schiff auf einer Alpweide rumpfnöötschen- Dankemerssi- nöö! Als Ausgleich sind wir dann auf den Horben, und haben da einen Spaziergang gemacht.
Aber am nächsten Tag -es hiess kein Regen(!)- wagen wir die Anfahrt zur Halsegg, der Gebietsbezeichnung des Artilleriewerk A7351 und A7352 (der zwei Hüttlis) zuhinterst und zuoberst im Nirwana des Hüritals. Ab Unterägeri ist es würkli gut angeschrieben, findet man gut. Und man kann nicht falsch sein, weils da hintenoben strassentechnisch nicht mehr würkli weitergeht.
Die wunderschöne wie eine Arena geformte Sömmerungsalp liegt absolut idyllisch und ruhig, einzig die freilaufenden Kühe und Kälber tragen mit ihren Glocken zum akustischen Grundton dieses herrlichen Fleckens Erde bei.
Wir lassen die Alpwirtschaft links liegen, denn der Kaffee (oder lauwarme, braune Plörre) ist es nicht wert, unfreundlich bedient zu werden. Lieber wandern wir zu den beiden Hüttlis, die wie Heuschober in der Landschaft stehen. Sind noch e bitz zu früh, und können drum die Gegend noch e bitzeli geniessen.
Wir sind zunehmend etwas unsicher, weil gar nichts auf eine bald stattfindende Führung, geschweige denn auf ein Museum, hinweist.
Aber pünktlich kommt uns ein Herr entgegen, wir melden unser Interesse an der Führung an. Ein weiterer Herr hat drei Personen im Schlepptau. Diese sind unschlüssig, weil noch ein Auto voll Kollegen dabei sein sollten, diese sich aber verfranst haben irgendwo auf dem Weg hierher.
Wir drei (der Führer und wir zwei) waren aber dann doch irgendwie froh, als die andere Gruppe sich entschloss, auf die Verfransten zu warten, und an einer späteren Führung teilzunehmen.
So kommen wir nämmli in den Genuss einer Privatführung!
Toll! Das Glück, was wir wieder haben, yay!!
Wir betreten das erste Hüttli, und staunen schon mal, in der Raummitte geht eine Wendeltreppe sechs Meter tief in den Untergrund. Und ehe wir es uns versehen, stehen wir im Artilleriewerk und bestaunen die zwei immer noch funktionierfähigen Kanonen. Unsere Führung- ein pensionierter Werkzeugbauer- kann uns die Apparate sehr genau beschreiben/zeigen, auch die verschiedenen Munitionen und wie das mit den sechs Reichweiten funktioniert (einfach genial-genial einfach) und wir bekommen so einen Einblick vom Fachmann, den wir sonst nie hätten bekommen können. Der Gang ins Munitionslager und einiger Messapparaten im sehr gut gemachten Ausstellungsraum hat uns sehr beeindruckt.
Nun geht es aber nochmals ein Stockwerk auf rund elf Meter runter! Her sind die Mannschaftsräume. So wie man sie aus Zivilschutzanlagen und Militärbunkern halt kennt. Einfach neu, und sehr wenig benutzt.
Hier noch die Erklärung, was diese zwei Hüttlis an diesem Ort so besonders macht: Das Baujahr 1988 lässt doch manchen aufhorchen. Da war ja längst kein Krieg mehr in Europa, und nur elf Jahre später wurden die vorher unter Verschluss gehaltenen und streng geheimen militärische Anlagen in der Schweiz öffentlich gemacht, verkauft oder rückgebaut.
Das ist korrekt.
Dennoch herrschte bis weit in die 1990er der kalte Krieg, und man wusste nicht genau, welche Seite nun wie angreifen würde. Tendenziell war es eher «der Russe» der Angstgegner, gegen den man nicht anzukommen wusste, weil man schlicht und einfach nicht abschätzen konnte, wie stark seine Schlagkraft war.
Das von uns besuchte Artilleriewerk hatte den Zweck, das Gebiet von hier aus ostwärts bis nach Rapperswil/Lachen und den Sihlsee zu verteidigen- ein riesiges Gebiet. Gemäss unserer kundigen Führung (in der Umgebung aufgewachsen) soll es nur im Raum Rotenthurm-Biberbrugg siebzehn weitere söttige Stellungen haben. Und wenn man den Faden weiterspinnt, und es ja noch hunderte andere Regionen am Rand des Reduits in der Schweiz gibt, welche auch so verteidigt werden sollten…
Hier als Beispiel eine Karte nur derer militärischen Bauten im Raum Zugerberg.
Beeindruckend!
Wir steigen wieder hoch an die Oberfläche und lassen beim Gang zur zweiten Hütte diese wahnsinnige Dichte/Modernität und Umfangreichtum der Anlagen nochmals Revue passieren.
Derweil im zweiten Bunker-identisch gebaut und im Falle des Ausfalls der ersten Festung hätte sie deren Aufgabe übernommen- hat man was ganz anderes draus gemacht. Denn wer will das zweite, baugleiche Werk denn noch angucken, wenn es sich wie Zwillinge gleichen tut?
Der Abgang in der Hütte zwei ist gleich, auch die Räume sind identisch wie sein Bruder 100 Meter weiter vorne- der mit dem Begriff «Feuerpause» treffend betitelt wurde. Treffend, weil es macht den Anschein, als könnte man da in Kürze wieder scharf schiessen.
Im Bunker zwei jedoch ist alles weiss gestrichen, eine Holzeckbank und Bilder machen diesen Bunker fast heimelig- Wir betreten das einzige und einzigartige Dufour-Museum. Dieser fast vergessene Mann, welcher die Schweizer Geschichte dermassen extrem mitgeprägt hat, im Sonderbundskrieg schon mit psychologischen Grundsätzen statt mit roher Gewalt arbeitete. Seine wertvolle Arbeit als Kartograph, sein Leben als Gründer der Militärschule in Thun, als National und Ständerat- die Liste seiner Taten würde noch viel weiter reichen.
Trotzdem ist ausser dem Namen uns fast nichts mehr bekannt. Seinem Verdienst ist unser Schweizer Kreuz und auch das Rote Kreuz zu verdanken. Ein Tausendsassa, ein Schweizer Leonardo da Vinci, mit Original Skizzen und Büchern mit extremer Detailgenauigkeit.
Wir sind echt beeindruckt von seiner Wirkungskraft und etwas beschämt, ihn nicht besser «gekannt» zu haben.
Viel zu schnell sind die zweieinhalb Stunden Führung vorbei, ich denke auch die Führung hatte Freude an uns Interessierten, und da er e bitz zeitlich (+1Stunde) überzogen hatte, musste er e chli pressieren, den es fing die nächste Führung in Bälde an. Erinnerst dich, die drei, welche auf ihre Verfransten warteten.
Wieder an der Oberfläche war da aber erwartungsgemäss keiner, aber mögen wir ihm auch gönnen, dass er nüm alles von vorne an verzellen musste, denn er hat sich mit uns sehr viel Mühe gegeben, sich würkli Zeit genommen, unsere Fragen gut beantwortet und viel erzählen können vom Artilleriewerk sowie der absolut faszinierenden Person des Guillaume Henri Dufour.
Ah, und der Preis der Führung war 10.- pro Person. Wir haben grosszügig aufgerundet, denn die Mannen arbeiten hier unentgeltlich und in ihrer Freizeit.
Hier noch der link zur Homepage (ist nun endlich -nach unserem Ausflug- Neu und ergiebig), bei Fragen stehe ich dir sonst sehr gerne zur Verfügung.
Dieser Ausflug bekommt von mir das Prädikat absolut lohnend, und dringend empfehlenswert!!
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