Dieses Mal wurden wir grosszügigerweise eingeladen, ein Stück Kultur und längst verflossenes Handwerk zu begutachten. Wir bekommen Tickets für das spezielle Landschaftstheater Ballenberg. Dieses jährlich neu inszenierte Theater findet im Freilichtmuseum Ballenberg im schönen Berner Oberland statt, und bietet mit einer gedeckten Bühne für rund 750 Personen Platz. Die Theatergruppe studiert jährlich grossartige Stücke ein, um diese vor einer alljährlichen wechselnden Kulisse aufzuführen. Jedesmal ein sehr einmaliges und äusserst authentisches Bühnenbild.

Wir waren bis dato noch nie an so einer söttigen Aufführung, aber bei unserem jährlichen Gang durch das Freilichtmuseum staunen wir amix immer wieder, wo diese Bühne aufgebaut wurde, und wie die mit den vorhandenen Gebäuden als Bühnenbild toll inszeniert wird.

Seit 1991 findet jährlich eine neue Saison ihre bewundernde Schar, längst ist es kein Geheimtipp mehr, Tickets für die Aufführungen sind recht häufig ausverkauft.

Wegen der Pandemie mussten die grossen abendfüllenden Auftritte die letzten Jahre leider ausfallen, für die Theatergruppe und die treuen Besucher eine recht unbefriedigende Situation.

Nach etlichen Verschiebungen und schlussamänd Absagen des jährlichen Programms, ging man dieses Jahr auf eine spezielle Art ans Theater spielen. Ganz Corona konform, und äusserst gelungen hat man ein neues Konzept erarbeitet -Wir dürfen das Resultat bewundern.

Die ganze Gruppe wird in verschiedene Szenen aufgesplittet, eine jede Szene erzählt eine eigene abgeschlossene Geschichte und dauert rund 20 Minuten. Die Gruppen verteilen sich auf verschiedenste Gebäude, Höfe oder Kornspeicher. So wird quasi auf dem gesamten West-Teil des Freilichtmuseums Theater gespielt.

Dies gefällt uns.

Man ist immer in Bewegung, spaziert von einem Schauplatz zum anderen, geht mit.

Guckt eine Episode, geht weiter, guckt sich eines der Gebäude oder deren wunderschönen Gärten an, stösst wiederum auf eine weitere Darbietung.

Isst was (waren immer noni beim neuen Gerant- heieiei!) aus dem Rucksack, geniesst das Wetter, hört Kuhglocken klingen, sieht Pferde weiden.

Idyllisch!

Das Theater-Thema » Zunder und Plunder» greift einerseits das Jahresthema «Feuer und Flamme» des Museums auf, verschiedene alte Handwerkskünste wie das Kalkbrennen oder Ziegelbrennerei werden in diesem Jahr vor Ort und in mitmachender Weise super gezeigt.

Auf der anderen Seite waren vor gar nicht langer Zeit auch hier in der Schweiz noch diverse Menschen auf Wanderschaft unterwegs und haben verschiedenste Dienstleistungen und Waren (auf der Stör) angeboten. Sie waren unentbehrlich, aber sie selbst doch am Rande der Gesellschaft, weil nicht sesshaft.

Zwei, drei Beispiele gefällig?

Der Klassiker: Der Scherenschleifer. Kam vorbei, holt sich stumpfe Scheren und Messer ab, schleift und schärft sie, und bringt sie gegen kleines Entgelt wieder.

Meist zwielichtige Individuen…

Oder der Fotograf: Er macht Aufnahmen aus der Luft (da gabs noch nix söttigs wie Drohnen, wie man sie heute kennt) von deinem Daheim, klingelt an der Haustür und zeigt das Bild im Kleinformat, welches du dann auf die gewünschte Grösse bei ihm bestellen kannst.

Es gab unzählige davon, sei es der Staubsaugerverkäufer, die Körperpflegeprodukteverkäuferin, der Teppichverkäufer oder Glaubensgemeinschaften welche dir ihre Ware feilbieten und so ihr Einkommen sichern.

Vieles davon gibt es heute nüm, die rund-um-die-Uhr Verfügbarkeit des Internet, oder unsere Schnellebigkeit lassen diese Menschen am Rande der Gesellschaft naadisnaa verschwinden.

Am ehesten sind heute noch Fahrende/Zirkusleute oder Schausteller zu zählen. Dank Corona sind auch diese wertvollen Bereiche am aussterben.

Der Ballenberg zeigt insgesamt neun deren Szenen, in denen verschiedenste Wandergesellen/Hausierer/Störhandwerker ihr Können feilbieten, und auch mit dem Publikum in Interaktionen treten.

Seien es die italienischen «Trucklifraue», welche Mercerieartikel wie Knöpfe, Fäden, Stoffe an die Frau bringen und mit ihrer Cassèla von Tür zu Tür gehen.

Oder der Wanderschneider, welcher Kleider flicken tut/ Stoffe verkauft, um ein bisschen Essen zu erhalten. Und auch sonst noch anderlei Stoffe zum verzellen weiss …

Der Fotograf bietet uns mit vor Ort gemachten Fotos (heute wären das sogenannte Selfie’s) als Erinnerungen an, welche den «lieben Angehörigen doch als Postkarte» verschickt werden könne, oder mit eigens mitgebrachten Fotos für Entgeld durch ein Guckloch in ferne Kulturen, eine fremde Welt blicken lässt.

Klar gabs da Scharlatane, zum Beispiel wird ein geschickt kaschiertes Pferd in einer Kiesgrube im Emmental auf dem Foto als Kamel in der Wüste (inklusive gut verhülltem Wüstensohn) verkauft.

Oder halt von weiten unbekannten Landen zu berichten und total zu schwärmen- Wer prüft das schon nach? Oder besser: Wer kann dessen Wahrheitsgehalt überprüfen? Wer war denn schon damals jemals aus dem eigenen Dorf/Tal weg in die «grosse weite Welt» hinaus?

Wie sollte (konnte) solche Aufschneidereien aufgedeckt werden?

Äbe.

Aber söttige kurlige Zeitgenossen gitts heute noch.. smile…

Gut gemacht auch die Szene mit einem Wanderprediger, dem Handwerksgesellen auf der Walz und die obdachlose Mutter mit drei Kindern. Eine kurze Szene am Brunnen, mit vielen Vorurteilen/Lügen/Richtigstellungen/Auseinandersetzungen und nachdenklich stimmenden Aussagen.

Sehr sehr gut gemacht, gut gespielt und herrvorragend inszeniert.

So spazieren wir von einem Ort zum andern, bekommen immer wieder was interessantes Geschichtliches mit, und das inmitten dieser fantastischen landschaftlichen Kulisse!!

Da es wegen des Theaters ungewöhnlich viele Besucher hatte im Ballenberg, gingen wir gar nicht bis zum Restaurant Degen, denn auf dem riesen Platz vor dem Haus tummeln sich immer ganz viele Leute.

Sind wir nicht so in the mood für das heute.

Wir, da bereits schon einmal hier dieses Jahr (erinnerst dich, das Kalkbrennen?), und wahrscheinlich im Oktober nochmals mit Familie hier, können es uns erlauben nun zu sagen:

Chumm, mir haben genug gesehen, gehen wir.

Es gibt Leute, die ja alle Vorstellungen abklappern, ja nix verpassen und schnell inschtagrammieren. Aber vom Ganzen Ambiente, bekommen sie nichts mit.

Aber nicht so wir. Genüsslich und gemütlich steuern wir Richtung Ausgang West.

Nicht ohne aber beim Vorbeigehen die Szene mit Queen Victoria mitzuerleben -auch sie eigentlich jemand am Rande der Gesellschaft (halt ganz oben, aber trotzdem am Rand)- Her Majesty gewährt uns bei einem Inkognito- Besuch in der Schweiz eine ihrer seltenen Audienzen.

Äusserst erquickend, wie sie erzählt, dass am 1.August auf der Rigi ihr zu Ehren die englische Nationalhymne immer wieder spielen tut.

Welch Error! Sie wusste nicht, dass auch wir dazumal diese Hymne (Heil dir Helvetia) als Nationalhymne benutzten.

Aber sie fühlt sich dadurch geschmeichelt, amused.

Herrlich, absolut erfrischend auch diese Darbietung!

Durch das zeitige Abreisen vom Ballenberg konnten wir uns den Luxus leisten, den Heimweg über Innertkirchen-Sustenpass-Wassen anzutreten.

Das war auch ganz toll!!

Danke Mami, für das schöne Geschenk- wir haben es rüüüdig genossen!!

Kategorien: Angeguckt

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