Wir sind ein paar Tage am ausflügeln, angucken, geniessen und überhaupt- Wir haben äben ein paar Tage gemeinsame Ferien. Das Wetter macht grad fantastisch mit-

Es verspricht drei sonnige, schöne Tage- und tatsächlich, das werden es schlussamänd auch.

Am ersten Tag besuchen wir das Aargauer Fricktal, genauer den Lindenhof in Sulz. Ich schreibe jetzt nicht «alte Bekann…» -uuuh, etz hanis trotzdem geschrieben- Hier ist eine Bauersfrau zuhause, welche ich schon seit der Lehre kenne. Wir zwei haben zwar in der jeweiligen Parallelklassen, aber dieselbe Ausbildung als Drucker absolviert. Wir hatten danach und auch mit ihrem Mann schöne Begegnungen, Ausflüge mit dem Töff, oder gemeinsames Eishockey schauen.

Irgendwie haben wir uns e bitz aus den Augen verloren, und drum wurden wir (wie gewünscht bepackt mit meiner frisch gebackenen Überraschungspastete) auf den herrlich gelegenen Bauernhof eingeladen. Es war ein wunderschöner, ereignisreicher und lehrreicher Tag, wir alle haben es toll geniessen können. Vollbepackt mit Konfi/Eier/selbstgehäkleten Decke und viel Wissen über biologische Landwirtschaft tuckern wir erst lange nach dem Eindunkeln zufrieden nach Hause.

Anderntags stand der Ausflug auf den Ballenberg an. Mit meinem «Gottenmeitli», (welche sich spontan anschloss) und meinem Mami verbrachten wir einen wunderschönen Tag im Freilichtmuseum. Fast keine Leute- und herrliches Wetter haben uns erwartet. Haben den ihnen unbekannten Teil des Tessins zeigen können- der Gutshof von Novazzano ist mit seiner Konstruktion, Art, Gesinnung und Geschichte nun Mama’s Lieblinghaus. Ein weiterer interressanter, und auch für uns «alte Ballenberg-Hasen» durchaus lehrreicher Tag ging zu Ende, gut behütet liefern wir erst das Gottenmeitli, als dann auch die Mama an dem jeweiligen Deheime ab.

Den dritten Tag gehen wir gemütlich an, eigentlich stand ein Besuch des Schlosses Thun auf dem Programm. Aber irgendwie hatten wir nicht schon wieder Lust auf lange Autofahrten, und hätten gerne was in unserer Nähe angeguckt. Den Planetenweg auf dem Üetliberg? Die Betonschalenbauwerke von Heinz Isler? Regensberg? Oder so?

Nää, irgendwie passt alles irgendwie nicht so.

Etwas missmutig, keine schlaue Angucklokation für heute zu finden, kommt von meinem Liebsten die Idee, welche er vom Internet herauspickt:

Das Kloster Wettingen.

Nun, wer kennt schon Wettingen, und wer es kennt, warum sollte man dahin? Eigentlich mit seinen über 20’000 Einwohnern längst eine Stadt, lässt sich aber nicht wie ihr unmittelbar an der anderen Uferseite der Limmat liegende historische Stadt Baden ein Ortskern im traditionellen Stil ermitteln. Ein Strassendorf, welches einfach immer grösser und grösser wird.

Hier unten etwas versteckt auf einer Flusschlaufe an der Limmat steht ein Kloster. Eigentlich völlig idyllisch und zmitzt im Grünen ist seit zwölfhundertirgendwas hier ein Männerkloster.

Als der Aargau zur Klosterauflösung blies und es 1841 tatsächlich dazu kam, wandelte sich dieses Ruheparadies erst in ein Lehrerseminar, dann in die Kantonsschule um Noch heute strömen über 1000 Jugendliche hier an diese Schule, und beleben die sonst eher sakral-heiligen Räume und Hallen.

1970 wird grad ennet dem Limmatufer die Autobahn eröffnet- Der Bareggtunnel lässt täglich um die 130’000 Fahrzeuge passieren. Hier sind neben der im Jahr 2003 eröffneten zweispurigen dritten Tunnelröhre schon Pläne für eine vierte und fünfte Röhre, oder gar einem über neun Kilometer langen Tunnel ab Spreitenbach vorhanden. Bis es aber soweit ist, werde ich diesen Blog sicher nüm selber führen können- Drum bleiben wir doch in der Gegenwart. Ein permanenter, sehr hoher Geräuschpegel trägt von der nur einen Steinwurf entfernten sechsspurigen Autobahn hier rüber. Es fällt nicht leicht, diesen enormen Geräuschteppich auszuschalten, aber muss megaidyllisch gewesen ein, 700 Jahre lang.

Wir stehen nun vor dieser Kirche, zwischen Gaststätten (!), Klostermauern, und wuselnden pubertierenden Menschen, und möchten gerne eine Besichtigung dieses Klosterareals machen.

Im neuen Besuchszentrum -Wir sind die ersten Besucher heute- lassen wir uns über die verschiedenen Arten, die Halbinsel zu entdecken von den zwei sehr netten Damen informieren.

Der Museumsbetrieb ist brandneu, erst vor gut drei Wochen wurde der Klosterkomplex für interessierte Zeitgenossen und für die Allgemeinheit geöffnet. Wir buchen die interaktive Audiotour, bekommen einen Kopfhörer, ein IPod, einen Batch und einen Schlüssel in die Hände gedrückt.

Ein paar einfache Instruktionen, und wir können los.

Das Audiosystem ist genial gemacht, es erfasst den genauen Standpunkt wo ich stehe, und spielt die dazu erforderliche Passage der Führung ab. Wir werden durch den ehemaligen Friedhof in den Innenhof geleitet, wo wir das erste Mal bereits etwas ausruhen können/sollen/dürfen. Der Guide geht gut auf uns ein, Musik spielt auf den Kopfhörern, wenn die Erklärungen fertig sind. So müssen wir nicht hetzen, können in «unserem Tempo» den Rundgang angehen.

Wir treten ins Parlatorium ein und können die Kopfhörer ablegen. Hier können wir Fragen stellen, diskutieren, wundern, Fragen lesen, Fragen hören- Ein sehr gut gemachter Ort, an dem die Gehirnströme einmal auf andere, grundsätzliche Gedanken gebracht werden. Können Antworten geben, oder auch eine Frage dem (nachfolgenden) Publikum via TV-Screen stellen. Auf eben diesem Screen erkennen wir eine Person aus dem Bekanntenkreis.

Ha- Natürlich ist sie’s!

Im Auditorium wird uns ein Film gezeigt, wie man die Begriffe Glaube Macht Wissen (Das Wortspiel ist grandios) über Jahrtausende hat geschickt einsetzen können, und man durch das Wissen an die Macht kommt. Bevor wir den Raum verlassen, setzen wir die Hörer auf, und lernen erste einfache Zeichen mit den Fingern kennen.

Nun stehen wir im wunderschönen Kreuzgang und der virtuelle Guide führt mit seinen Geschichten extrem faszinierend in die Klostergeschichte ein. Wir werden an den richtigen Orten zum stillhalten aufgefordert, zum genau schauen angehalten, zum zuhören ermuntert. Das Tempo der Führung können wir selbstständig und unabhängig voneinander bestimmen, denn die genaue Lokalisation meines Standortes erlaubt ein geeignetes Abspielen des Guides. Es braucht die Musse, die Zeit, die Bereitschaft, sich zur Führung einzulassen, ich denke für Kinder und ungeduldige Menschen ist diese Tour suboptimal. Für die gibts aber die Rätseltour oder Schnupperrundgang mit der Maus Jeremias (der ist auch noch kool).

Wir stehen nun vor dem Tor der nicht öffentlich zugänglichen Mönchskirche. Mit dem mitgegebenen Schlüssel können wir das Tor öffnen, über den Hörer ertönt ein Mönchsgesang, den ich irgendwie kenne.

Aah, unsere Nationalhymne, der Schweizer Psalm. Was macht der hier? Tönt als Mönchsgesang irgendwie doch eigentlich noch gut..?

Hmmm.

Ah ja, das war ja ein Mönch von hier, der unsere heutige aktuelle Landeshymne schrieb (soviel man munkelt, schrieb er die im Karlshof in Zug). Ehrlich gesagt, als Kirchenlied gefällt mir der schwerfällige, leicht antike Gesang aso echt viel besser…

Im Chor der Kirche staunen wir ab dem Barock-Reichtum der Ausstattung, das Chorgestühl gradso prächtig wie jenes von Canterbury, und Gold und Figuren zuhauf, wir ersauffen fast vor Prunk und Demut überall. Wahnsinnige, aber zum Glück gut erhaltene Möbilierung.

Auch hier wieder erhalten wir gute Infos von Mönchen und Handwerkern, sehr gut ergänzt mit der Erklärung des Guides von Zeichensprache.

Nach einer Unsicherheit (mein Kopfhörer hatte nun ein technisches Problem) treten wir wieder in den Kreuzgang hinaus. Immernoch sind wir die einzigen zwei Leute hier drin. Dies lässt uns statt der empfohlenen 3/4 Stunde Rundgang, etwa das Doppelte der vorgeschlagenen Zeit hier verweilen.

Es tut sehr gut, und auch die doch lange Zeit des Zuhörens und Wandelns durch die hervorragend restaurierten Räume scheinen sehr schnell vorüber. Wir machen noch eine Runde im Kreuzgang, die farbigen Glasfenster sind wunderschön, spazieren im Gärtchen des Kreuzgang’s und schmunzeln ab dem sehr gut gemachten Ende des virtuellen Guides!

Eine echt tolle Sache, hat uns richtig begeistert. Also dieses neue Erlebnis können wir allen wissbegierigen und zeitmitbringenden Mitmenschen empfehlen!

Wir betreten die öffentlich begehbare Kirche, welche mit einer Holzwand von der Mönchskirche abgetrennt ist. Also hier ist es aber nicht ganz so prunkvoll.

Ist aber nicht so nett, ihr Gläubigen, hm? Trotzdem ist die Kirche schön, und wir treten recht beeindruckt wieder ins Freie. Bringen den Kopfhörer zurück und schildern die technischen Probleme mit dem Ende des Guides, und auch der Ausgang der Tour war uns zuwenig klar. Dankend wurde unsere konstruktive Kritik angenommen, es ist halt schon eine technische Herausforderung, über GPS die erforderlichen Daten auszuwerten und für den jeweiligen Standort die korrekten Infos abzuspielen.

Nichtsdestotrotz: Das hat echt Spass gemacht, wir sind rüüdig begeistert!

Wir möchten nochli in den Park, und werden mit Plan und dem Tipp, das Abthäuschen anzugucken, freundlichst verabschiedet.

Auch in diesem kleinen Häuschen ausserhalb der Klostermauern sind wir die Einzigen (ausser der im Garten anwesenden Gärtner oder Kantonsschüler), also der Zeitpunkt der Besichtigung ist absolut perfekt. Im ersten Stock wurden wir (fast reell) zu einem Glas Prosecco mit dem Abt eingeladen, diese Multimediashow hinterliess uns -Rokoko-beschwipst- verschiedenartigste Eindrücke.

Nun aber raus in den wunderschönen Garten! Herrlich und sonnig liegt er gut gepflegt da. Ein wunderschöner Pausenplatz- wenn ich an die Asphalthölle meiner Schule denke… Hier pflanzen sie sorgfältig Kartoffeln, Birnenbäume blühen, Gänse schnattern und im Gemüsegarten können wir zu günstigsten Preisen Chrüütlis und Salatsetzlinge er-twinten.

Der Heilkräutergarten ist sehr hüpsch gemacht, wir halten inne, beobachten die wuselnden Schüler, und geniessen das Wetter und die erlebte Rundtour.

Nun nimmt uns die ehemalige Spinnerei und Weberei, die nach Aufgabe des Klosters am Südrand des Areals erbaut wurde, wunder. Dazu müssen wir runter zur Limmat, und stehen bald vor der Zollbrücke über den Fluss. Diese scheint neu restauriert, ein paar kurlig wichtigtuende und nicht hierhin passende Menschen stehen im Weg rum, Festbänke liegen bereit zum Aufstellen. Wir gehen unbeeindruckt über die Brücke, eine sehr interessante Holz/Metallkonstruktion.

Wie wir nachträglich erfahren, wird diese Brücke am Folgetag eingeweiht.

Sowas.

Am alten, zugeschütteten Fabrikkanal entlang erreichen wir -das Brummen der Autobahn ist halt schon gegenwärtig und bitz störend- das Fabrikareal mit der sechsstöckigen Spinnerei und der zweistöckigen Weberei. Hier sollen mal um die 800 Arbeiter ihren harten Job verrichtet haben.

Heute sind auch diese Räumlichkeiten der Kantonsschule vorbehalten, eine Besichtigung ist nicht möglich.

In der Weberei sehen wir die Firma Lägere Bräu, einem Craft Bier, welches zufällig am Vortag eine Goldauszeichnung für sein Bier bekommen hat.

Wir genehmigen uns auf dem firmeneigenen, wunderschönen Biergarten eine Fassbrause, und entscheiden uns, einen Harass der verschiedenen Sorten Biere zu kaufen. Einerseits, weil wir gerne lokale Unternehmen unterstützen, und zweitens, weil die «Pony»-Grösse der Bierflaschen mögen, wir möchten nicht Bier halbliterweise schütten..

Und wir wären ja nicht wir, so bekommen wir noch das spezielle Amberbier im 8er Pack geschenkt. Toll!

Also ein Ausflug auf diese Halbinsel lohnt sich, wer Neugier, Zeit und Musse mitbringt, geht nicht enttäuscht von dieser unscheinbaren Perle weg. Ist kein Europapark, aber hier steckt wahnsinnig viel Liebe und Wissen dahinter.

Kategorien: Angeguckt

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