Nein, wir sind weder in Finnland noch in Japan. Auch wenn das Foto danach aussieht. Wir sind in der Schweiz, im Kanton Solothurn, genauer in Schönenwerd.
Ich wollte längst mal schon dahin, endlich hat es geklappt.
Bereits die Anfahrt dahin war chli abenteuerlich, durch eine Strassensperre in Schönenwerd mussten wir über Aarau und da auf die andere Aareseite, und via Gösgen (Da steht doch ein AKW? Genau.) wieder retour über die Aare. Rechter Hand liegt das sogenannte Bally-Areal, hier hat sich in den alten Fabrikationshallen ein riesiges Outletcenter eingerichtet. Es ist ein enormes Gewusel, verrückt wie viele Leute an diesem herrlich warmen und sonnigen Tag in die klimatisierten alten Fabrikhallen der Bally stürzen und überteuerte Markenschnäppchen kaufen. Wir fahren die Strasse aber weiter, vorbei an parkierten teuren BMW’s, Mercedes und anderen geleasten Luxuskarossen. Wären die Fahrer der teuren Autos nur halb so elegant und nobel wie ihr fahrbarer Untersatz, würde es ja noch passen. Aber es sind meist die gleichen Typen, welche so unverhältnismässig und exorbidant über ihrem Einkommen liegende Luxuskarossen fahren. Kann ich echt nicht verstehen, dass man eine vierstellige Leasingrate im Monat aufbringt, aber zu zehnt mit der gesamten Familie in einer Dreizimmerwohnung lebt.
Egal.
Nur wenige Meter hinter der geputzen und polierten Autoparade ist es angenehm ruhig und wir setzen unseren Hubi unter einen Baum in den Schatten.
Wir befinden uns auf dem Fabrikareal der Schuhfabrik Bally. Einige von euch mag das noch was sagen, es war vor gut hundert Jahren immerhin der grösste Schuhhersteller der Welt!
Hier ein paar Fakten seines kometenhaften Aufstiegs:
Im Jahr 1851 gründeten die Brüder Bally hier an der Aare eine Schuhfirma. Diese Fabrik ging aus dem vom Vater übernommenen Betrieb hervor, der Bänder und elastische Gewebe produzierte. 1860 beschäftigte Bally bereits mehr als 500 Arbeiter. Nach einem weiteren Jahrzehnt expandierte das Unternehmen auch ausserhalb der Schweiz mit Niederlassungen in Montevideo (1870), Buenos Aires (1873), Paris (1879) und London (1882). Neue Fabriken entstanden, daneben machte die Heimarbeit einen erheblichen Anteil der Bally-Produktion aus. Die Produktion lief auf Hochtouren und wurde nach amerikanischem Vorbild hier in diesen Hallen zentralisiert und auf maschinelle Produktion umgestellt. Schnell wuchs das Schuhmacherunternehmen in eine Fabrik mit grossen Maschinen und Schichtarbeit.
Bally war dabei, als Anfangs 1900 die Industrialisierung weltweit ihren Siegeszug begann. Zu diesem Zeitpunkt wurden jährlich bereits zirka zwei Millionen Paar Schuhe produziert und in zahlreichen europäischen Ländern sowie Südamerika verkauft. Das Unternehmen beschäftigte nun 3200 Angestellte. 1916 beschäftigte das Unternehmen mehr als 7000 Personen und produzierte 3,9 Millionen Paar Schuhe pro Jahr.
Gigantisch, oder?
Gewaltig ging der Boom auch weiter trotz des ersten Weltkriegs, da half die Produktion von Militärschuhen sicher weiter. Und Bally Schuhläden befanden sich in einem dichtem Netzwerk nicht nur in der Schweiz.
Bally überstand die Weltwirtschaftskrise und den zweiten Weltkrieg recht gut, indem man das Angebot auf sportliche Schuhe und Militärschuhe ausweitete.
Der Bally-Konzern umfasste mittlerweile Produktionsstätten in der Schweiz, Frankreich, Südafrika, Grossbritannien, Österreich und den USA, ausserdem einige Gerbereien in Südamerika sowie eigenen Immobilien- und Handelsunternehmen. Bally beschäftigte rund 15000 Menschen in der Schweiz und weltweit und produzierte etwa 10,2 Millionen Paar Schuhe im Jahr.
Typisch für seine Zeit, bot Bally seinen Angestellten als eine Art Goodie schon früh eine Krankenversicherung, Wohnraum und Erholung im eigens angelegten Ballypark.
….Und diesen öffentlich zugänglichen Park wollen wir nun eben begüxeln.
Der 100’000 Quadratmeter grosse Bally-Park mit Flüsschen, Parkweiher, Brücken, Pfahlbauten und einem chinesischen Pavillon und vorallem den schönen Bäumen und geschwungenen Wegen lädt ein, hier etwas Zeit zu verbringen.
Der Park an der Aare war in den Jahren ab 1868, also kurz nach der Erbauung der Fabrik, anschliessend ans Fabrikgelände angelegt worden. «Der Bevölkerung von Schönenwerd und Umgebung die Möglichkeiten zu bieten, nach der Arbeit oder am Sonntage im Kunst- und Naturgenuss Erfrischung zu finden», mit diesen Worten umschrieb Carl Franz Bally das Ziel des Parks 1901 in einer Firmenpublikation.
Der Park war seit jeher für die Öffentlichkeit und die Arbeiter der Bally zugänglich. Auch exotische Bäume wurden gepflanzt, welche die Familie Bally von ihren weltweisen Reisen mitbrachten. Entstanden ist eine herrliche Parklandschaft mit immer wieder wunderschönen Ein-/Ausblicken in die Gegend.
Es gibt viel zu entdecken, der Chinesische Pavillon, der wiederaufgebaute Holzspeicher von Gränichen. Und eine Pfahlbauersiedlung im Massstab 1:2. Der Park lädt ein, immer wieder neue Blickwinkel zu entdecken. Es ist recht angenehm von den Leuten her. Der Veloverkehr wird am Rand des Parks entlang geführt, also hat man als Spaziergänger die schöne Verweilmöglichkeit zu schlendern, zu innehalten, zum ungestörten Geniessen.
Dies machen wir ausgiebig, denn auch die Vegetation ist hier wunderschön mit Magerwiesen in der Sonne, Farn an schattigen Plätzchens. Im Aarekanal planschen Kinder, Familien und Hunde. Und ennet der Hängebrücke kann grilliert und gefestet werden. Wir gehen sogar an einem alten hölzernen Pförtnerhäuschen vorbei. Auf den vielen Teichen, Weihern und Gewässern des Parks schnattern Enten und im Wasser erspähen wir sogar grosse Fische.
Ein echt lohnenswerter Ausflug mit vielen schönen, guttuenden Überraschungen. Hier lässt es sich gut verweilen. Was leider fehlt, ist ein Kaffee/Food Truck/Kiosk. Wie gerne hätten wir einen Kaffee im Park auf der ausladenden Terrasse des Kosthauses genossen.
Wir mussten doch noch zum Outlet, um den Kaffee und Toilettenhalt machen zu können.
Aber für einen Spaziergang ist dieser Park alleweil einen Ausflug wert
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