
Dass in der Kleinstadt Zug nicht nur alles um Steuern, Rohstoffgiganten, Briefkastenfirmen und Oligarchen geht, geht heute meist gerne vergessen. Denn das Leben in dieser hinter den Kulissen recht bodenständigen Kantonshauptstadt ist medial nicht für den flachen medialen Drive-thru Journalismus geeignet. Es erscheint dem sozialen Netz geübten Leser eher als langweilig, öd, und rückständig. Vorallem müsste man sich mit etwas beschäftigen und auch etwas Zeit investieren, um hinter die Kulissen zu lugen.
Für dies sind unsere kurzlebigen Konsumationsmitteilungsnetzwerke halt nicht geeignet.
Deshalb schreibe ich hier den Blog. Für alle die etwas mehr wissen möchten. Er soll eine inspirierende Wirkung haben, informieren, oder animieren zum selber erleben.
So gehts drum hier zum 1. Production Day der Stadt Zug zu berichten. Denn das ist was ganz Kooles, was hier entsteht.
Die Story beginnt ausgerechnet bei meinem Optiker, der mir zwei wunderschöne, wertvolle Brillen angefertigt hat. Bei ihm liegen Flyer auf, ich sehe das erste Mal den Begriff
„Production Day“.
Es geht drum, an einem November-Samstag der interessierten Bevölkerung mittels einem Tag der offenen Türen den hier ansässigen Betrieb zu zeigen. Und damit einen Hint zu geben, dass es hier noch lokales Gewerbe gibt.
Dass diese Unternehmen noch mit Herzblut dahinterstehen, und ruhig auch die Werbetrommel gerührt werden darf.

An diesem besagten Samstag sind es doch um die 45 Unternehmen, welche ihre Türen weit öffnen, Einblick geben in ihr Handwerk, sich auf interessierte Kundschaft freuen.
Vom Kirschtortenhersteller über Mosaikkünstler, von Druckereien, Optikern, Blumengeschäften, Geigenbauern, Schuhmachern, Goldschmieden, Carosserien, zu Bäckereien, Modedesigner, Distillerien ist ein grandioses Sammelwerk grossartiger Handwerksbetrieben bereit, sich zu präsentieren. Es sind spezielle Themenführungen möglich, oder es kann beim Taschen herstellen oder Keramikbemalen sogar selber Hand angelegt werden.
Wir möchten auch gerne in verschiedene Betriebe reingüxeln, und da die Cluster sich über die ganze Stadt verteilen, konzentrieren wir uns auf das Gebiet Nord der Stadt. An der Grienbachstrasse stehen viele Leute parat, uns an ihrem Arbeitsplatz willkommen zu heissen.
Let‘s go!
Wir stellen unsern GlossyCrossy auf einem Parkplatz hinter der V-Zug ab. Auch diese Firma würde Führungen anbieten, haben wir aber keine Lust dazu.
Wir möchten die Schreinerei Brändle angucken, ein Familienbetrieb, welcher seit 1961 besteht, und heute in der dritten Generation geführt wird. Ein sauberer, aufgeräumter Arbeitsort erwartet uns, es sind mehrere Leute hier, der Inhaber selber führt uns durch den Betrieb.



An der CNC-Maschine wird ein Holzbrett mit einer Nut versehen, gespannt gucken wir zu.

Wir kriegen ein söttiges Holzbrett in die Hand gedrückt.

Wir sollen damit in zwei andere Betriebe gehen, und die fehlenden Komponenten komplettieren. Am Schluss gibts ein Schlüsselbrett.
Huh?
Was für eine koole Idee?!!?
Wir sind völlig begeistert!
Der Lehrling schleift noch die Kanten des Holzes, und gibt uns die Befestigungsschauben mit.
Herr Brändle führt uns noch durch die Ausstellung, die frisch montierte Küche gefällt uns sehr gut. Auch das Modell mit den auswechselbaren Fronten und Abdeckungen vermögen uns zu begeistern.

Wir kriegen sogar etwas zu trinken, ein Monopoly-Spiel der Stadt Zug und einen Flyer der Schreinerei, welche nächstes Jahr das 65 Jährige Firmenjubiläum feiert.
Auf der Rampe steht ein hüpsches Automobil mit einer Kaffeebar.
Hier dürfen wir uns einen Espresso zubereiten lassen, wir geniessen den würkli feinen Kaffee.

Gestärkt gehts auf zur nächsten Etappe:
Die Glasi Zug.
Hier werden wir vom Geschäftsführer durch die Ausstellung geführt, Wahnsinn, was mit Glas alles möglich ist.

In der Produktionshalle werden wir von ihm kompetent geführt, und er zeigt uns auch wohlbekannte Objekte, welche hier gefertigt werden.

Zum Beispiel ein Stapel Kinderzeichnungen, in Glas eingepackt (In Erinnerung an das Zuger Attentat).

Ein Teil der Verglasung des Kantonsspitals in Baar (Fällt immer wieder runter…).

Oder der Skulptur vor dem Metalli, welches regelmässig beschädigt (durch Autos) wird.
Die Aufräge sind vielfältig und auf den Kunden zugeschnitten.





Hier dürfen wir uns ein Glastablar für unser Schlüsselbrett aussuchen- Die Auflage desselben ist auf hundert Stück limitiert.
Oh!
Auch hier wird was zu Trinken und ein Gipfeli gereicht. Eine sehr interessante Führung.
Den dritten Teil unseres Projektes gibts in der Metallbauerei Weber. Martin Weber führt diese 1929 gegründeten Metallwerkstadt auch in der dritten Generation. Hier schmecken wir Metall und werden durch die Mitarbeitenden herzlich willkommen geheissen.

Man zeigt uns kunstvolle Eisengeländer und erklärt, wie aus lasergeschnittenem und gelöteten Einzelteilen ein wunderschönes Balkongeländer entsteht.

Wir werden in der Werkstatt rumgeführt, und der Mitarbeiter steht uns für unsere Fragen interessiert zur Verfügung.



Wir werden sogar zu Wurst und Brot eingeladen. In der Werkstattshalle auf dem Grill gebraten.
Total faszinierend und gemütlich!

Hier gibts Teil drei unseres Schlüsselbrettes, und ich muss hier sogar selber Hand anlegen, smile.
Aber siehe selbst:

Schigg?
Nicht?
Doch!
Was für eine lässige Idee!!!
Und uns wird gezeigt, dass die drei Betriebe auch zusammen gut harmonieren.
Wir sind richtig überwältigt von der Vielfalt und all den unbekannten Möglichkeiten, mit Holz, mit Glas oder mit Metall zu arbeiten!
Wir legen unser Schlüsselbrett ins Auto und gehen noch zur Carosserie Lisibach.
Dort zeigt uns eine Lackiererin die Techniken, wie man nach einem Hagelschaden die Beulen rausdrückt oder zieht.

Dürfen sogar selber eine Delle aus einer Autotüre ziehen!
Und einen gerissenen Kotflügel mit Heissdraht zusammenschweissen. Das war mega interessant!

Das war noch cool!

Als nächstes gings in die Garage Grienbach.

Hier lernen wir, wie man richtig eine Batterie überbrückt (Erst die funktionierende Batterie mit dem roten Kabel am Plus anhängen, dann die platte Batterie. Das schwarze Minuskabel an den funktionierenden Minuspol zur Masse des stehengeblieben Autos- möglichst weit von der Batterie weg—> hättsches gwüsst?).
Wieviel Öl vom unteren Ölstand zum Maximal es braucht.
Und wie die Bremsflüssigkeit gewechselt wird.

Das war aber ganz schön lehrreich!!
Wir genehmigen uns nochmals einen feinen Kaffee vom Kaffeemobil auf der Rampe von der Schreinerei Brändle.

Fein!
Die vier Stunden waren völlig bereichernd und haben uns sehr viel Spass gemacht. Wir wurden freundlich und kompetent durch die Unternehmen geführt, konnten ungeniert Fragen stellen, und sind nun ein ganzes Stück schlauer.
Wir könnten nun weiter Richtung Stadt, hier warten noch andere 40 Unternehmen auf neugierige Augen, Hände und Ohren.
Aber wir lassen es hier für heute gut sein.
Müssen ja für nächstes Jahr auch noch was haben, oder?
0 Kommentare