Seit nunmehr 25 Jahren gibt es in der Schweiz die sogenannten Tage des Denkmals- Tönt staubig und pädagogisch-erzieherisch langweilig, fürchterlich hust-hust.

Ist es aber durchaus nicht. Weil an diesen Tagen im Frühherbst kriegst du die Möglichkeit, erhaltenswerte besondere Gebäude zu besichtigen und auch zur Geschichte und besonderen Begebenheiten sonst nicht publike Informationen zu kriegen. Und wir sprechen hier nicht von Monumenten wie etwa die Kappelbrücke in Luzern, den Zytgloggeturm in Bern oder das Grossmünster in Zürich. Dazu gibt es genügend Führungen das ganze Jahr, und Infos zu den Bauten zuhauf im Netz.

Nein, es geht um eher unscheinbare Gebäude, welche eventuell erst auf den zweiten Blick durchaus sehr interessant sind und man staunt und nickt, gut hat da der Denkmalschutz ein Auge darauf geworfen. Diese Tage des Denkmals gibts in ganz Europa, im September lohnt es sich, die Augen und Ohren hier und da etwas offen zu halten. Und so Einblicke und Informationen zu vorab völlig unbekannten Gebäuden zu bekommen.

Wenn man sich dafür interessieren tut.

Wie bereits erwähnt, gibts in der Schweiz auch diese Tage, in denen man in ausgewählten Objekten bei einer Begehung interessantes erfährt, meist regional am gleichen Wochenende, den ganzen Frühherbst. So kann man, wenn man will, mehrere Objekte an mehreren Wochenenden in allen Landesteilen besuchen, eine Tour de Guck sozusagen.

Denk mal.

Wann kriegt man schon Gelegenheit, ein Hotel zu besichtigen, oder ein Restaurant? Einen Gutshof, ein Kloster? Und nicht nur an die Fassade, die Rezeption, das Entrée.

Sondern bis in den letzten Winkel. Vom Keller bis zum Dachstuhl.

Äbe.

Auf die diesjährige Besichtigung freue ich mich besonders, ist es doch sehr speziell.

Der finnische Archidekt Alvar Aalto– Ein Meister und Vertreter des Bauhausstils- hat in Luzern, genauer im Schönbühl ein 14- stöckiges Hochhaus plus Attika geplant und 1968 erbaut.

Übrigens das einzige Werk Aaltos in der Schweiz.

Damals eine Pionierleistung in der Schweiz, gabs noch nichts Vergleichbares. Ein Gebäude, welches heute noch einen Zwiespalt hervorruft: Bei den Einten tiefe Bewunderung und bei Anderen recht viel Abscheu.

Zur Bauzeit galt es nicht wie heute chic, in so einem Silo zu wohnen, im Gegenteil, es war ein Wohnsitz für sozial Schwache, für Angestellte der Industrie, man kennts bei den Plattenbauten aus Deutschland.

Dabei haben sich damals die Bauherren durchaus was gedacht beim Bauen. Haben doch sämtliche Wohnungen eine wunderbare Aussicht auf See und Berge. Und die Ausrichtung gegen Südosten bringt sehr viel Licht in die hellen Appartements. Sehr speziell ist auch, dass die Wohnungen fächerartig angeordnet sind. Das heisst, der Eingang ist recht eng, und breitet sich immer mehr auf in Richtung Balkon. Balkon war eh ein Luxusobjekt, wie der Umbauarchitekt treffend bemerkte; Frische Luft ist erst seit 15 Jahren Mode, smile.

Auf den 14 Etagen sind die Wohnungen geschickt verteilt, sechs sind es je Stockwerk und es hat 1 1/2 bis 5- Zimmer Wohnungen. Dies aus dem guten Gedanken aus, eine gesunde soziale Durchmischung zu erhalten. Und auch heute müssen wir rechtgeben, dass nur Einzimmerappartements nicht förderlich wären, weil es so nur ganz Junge, oder Senioren anzieht. So kann der Mix gut funktionieren, und gemäss diversen Quellen hat es auch sehr gut funktioniert. Vor den Wohnungstüren hat es einen grosszügigen Eingangsbereich, mit einem allgemein zugänglichen Balkon. Also wirklich sehr sozial durchdacht.

Die Wohnungen an für sich sind recht klein- Wir staunen und fühlen uns chli eingezwängt, wahrscheinlich verstärkt auch durch den gefächerten Grundriss. Die Küchen und Bäder, teilweise noch im Originalzustand aus Schweden (!) würden heute bei Weitem nicht mehr genügen. Es wurde noch mit Gas gekocht. Heut schlicht undenkbar, wenn man daran denkt, wass da bei über 80 Parteien in diesem exponierten Objekt passieren kann.

Trotzdem war der Einblick im auf den Rohbau rückgeführten Wohnsilo sehr interessant, das hat eben der Tag des offenen Denkmals überhaupt erst möglich gemacht. Wer lässt schon Leute auf seine Baustelle, und steht so bereitwillig Red und Antwort? Äbe.

Und die Dreizimmerwohnungen hätten uns vom Grundriss noch irgendwie gefallen können. Oder die Attika (unbezahlbar mit ihren 400m2, fünf Badzimmern, Marmorküche, Sauna mit Aussicht und Kaminzimmer. Ganz zu Schweigen von der riesigen Terrasse…. Dream on…).

Nun wird dieses Meisterwerk von Grund auf saniert, es gibt neue sanitäre Anlagen, Bodenheizungen, die gesamte Haustechnik, alles wird neu. Auch werden Stahlbänder durch die Stockwerke eingezogen-Erdbeben heisst hier das Angstwort.

Trotzdem den Aalto-Stil beizubehalten, ist ein Seiltanz einerseits mit den heutigen Bauvorschriften und Auflagen, anderseits dem gut durchdachten Konzept des Finnen. Respekt dem Architekten und der Bauherrschaft welche dies mit guter Behutsamkeit zu erreichen versuchen. Ist ja mit 24 Millionen Franken Kosten auch nicht ganz ohne.

Speziell fanden wir eine Inschrift im Treppenhaus, handschriftlich in den nassen Beton geschrieben, ich glaube von 6. in den 7. Stock. «Hier ruht….» mit Datum und Namen.

Lassen wir ihn ruhen.

Dieser Rundgang, im denkmalgeschützten Wohnhaus war für uns- Als ebenso Hochhausbewohner- sehr speziell, und die Ausführungen der Denkmalpflege und des Architekten wirklich interessant. Trotzdem bevorzugen wir unsere jetzige Wohnung. Aber man soll die Augen ja immer offen halten, offen auch für Anderes.

So wie wir nun, als wir angeregt durch diesen heutigen interessanten Morgen noch gerne was anderes angeguckt hätten. Wir sind im Anguck-Modus. Möchten noch mehr.

Kein Problem- heut hat’s genügend offene Türen.

Wir entscheiden uns für das Restaurant Taube, in der Unteraltstadt von Zug. Ein kleines altes Haus, eingebettet in der unteren Gasse im historischen Kern der Altstadt, eigentlich grad das Gegenteil vom Alvar Aalto Hochhaus.

Hier reicht die Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurück, später, 1435 beim Untergang der Unteren Gasse in den See, wurde das Gebäude schon teilweise mitgerissen. Auch einen Brand soll es schon erlebt haben. Das dieses Haus eigentlich drei Häuser sind, vermag uns zu erstaunen. Kann man aber sehr gut an den verschiedenartigen Mauern, welche freigelegt wurden, erkennen. Wie viele Stories wüssten die ehrwürdigen Mauern zu erzählen, könnten sie nur…

Die Führung ist auch hier- Wenn man sich denn die Zeit dafür nimmt- sehr interessant, es werden hier gefundene Original Tonscherben, Schuhwerk oder sogar Jasskarten herumgereicht. Auch sind Münzen und Ausgleichsgewichte gefunden worden, das Original Wirtepatent, damals nicht auf die Person sondern auf das Haus bezogen, darf man aus nächster Nähe begutachten. Wow.

Im Erdgeschoss wird die Taube wieder eröffnet als Restaurant, die oberen vier Stockwerke sind zu hübschen Wohnungen- mit Regendusche und Glaslift- umgebaut. Toll, wie Altes und Modernes zusammen harmonieren kann. Die alten Mauern sind geschickt mit neu erstelltem Beton und einer sehr schönen indirekten Beleuchtung installiert. Auch hier ein enormes Fingerspitzengefühl seitens Bauherrschaft und Denkmalpflege, wie in Luzern beim Aalto Hochhaus. Einfach unter ganz ganz anderen Voraussetzungen.

Uns hats extrem gefallen!

Und staunen anderntags- Wir sind mit Foto in der Zeitung verewigt- Hihi.

Kategorien: Angeguckt

1 Kommentar

Industriegeschichte im Gjätt uss – Remos.blog · September 16, 2020 um 17:09

[…] Hab auch immer wieder hier über die verschiedenen besuchten Orte geschrieben- Für treue Leser sicher nicht unbekannt. Hier der Link zu einem söttigen Bericht. […]

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