Was sich hier anhört wie ein Zahlencode eines Safes in der Bank, hinter welchem ein unbezahlbarer Schatz liegt- Ich muss dich da leider enttäuschen. Es sind Jahreszahlen, nackte Jahreszahlen. Wobei eigentlich…. Einen, oder besser mehrere unbezahlbare Schätze, Schmucktrucklis, Juwelen haben wir schon entdeckt- Und teilen diese sehr gerne mit dir.

Anlass war der jährlich stattfindende Tag des Denkmals, welcher jeweils am zweiten Wochenende im September durchgeführt wird. Schweizweit können so um die 1000 Objekte besucht werden, viele sind ansonsten für Otto Normalverbraucher nicht zugänglich, und es lohnt sich, hier ein Auge reinzuwerfen. Letztes Jahr konnten wir ins Alvar Aalto Hochhaus in Luzern und ins Restaurant Taube in Zug. Zwei Gebäude, die unterschiedlicher nicht sein können, und nun mit neuem Leben eingehaucht werden, hier der link zu meinem Bericht.

Zwei Jahre vorher waren wir im Beckenhof in Zürich und im Hotel Europäischer Hof in Engelberg, nahmen da an den Führungen teil und staunen, was da für Bijoux gepflegt werden. In einer Zeit, in der vorwiegend mit Follower und Likes gepflegt wird.

Der Tag des Denkmals ist sogar europaweit, auch das Ausland lädt ein, öffnet verschlossene Türen, lässt hinter die Fassaden blicken. Eine tolle, und überhaupt nicht trockene Sache.

Komm mit, lass dich auf eine Zeitreise in die Stadt Zug mitnehmen…

1920 Villa Hotz

Beginnen tun wir unseren Tag am See in Zug. Da wo sich 1889 eine fürchterliche Katastrophe ereignete, und nach der Pfählung und Aufschüttung einer Quaimauer eine ganze Reihe Häuser auf dem schlechten Kreidegrund in den See versank. 650 Leute verloren da ihr Hab und Gut.

Die Stadt wandte sich von da an von der bevorzugten Seelage ab, die Neustadt um den Bahnhof entstand, zurück blieb am See eine Lücke, heute noch gut sichtbar. Die verbleibende Häuserzeile bis zum Regierungsgebäude wurde abgerissen, die Rössliwiese entstand. Auf der anderen Seite wurde die Restauration Spillman abgetragen, über den See verfrachtet, und in Hünenberg oben am Kemberg wieder errichtet (und letztens fachgerecht wunderschön renoviert).

Heute gehts aber um das erste Haus dieser Häuserzeile, welches nicht abgebrochen wurde, im Gegenteil, das alte Holzhaus wich einer stattlichen Villa- Und dies keine dreissig Jahre nach dem einschneidenden Ereignis.

Das Haus gehört heute der Stadt Zug und wird seit 30 Jahren von einer Stiftung gemietet, welchen Menschen nach einer Abhängigkeit von Drogen oder einer psychischen Baisse wieder hilft, sich in unsere Arbeitswelt zu integrieren. Ein Wohnheim, in denen die Bewohner von einigen Monaten bis Jahren miteinander leben. Ein Haus, dass normalerweise sicher nicht für öffentliche Besichtigungen geeignet ist.

Es wird aber nun gründlich renoviert, und ist daher leer. Wir nutzen die Gelegenheit und schliessen uns mit Plastikschuhüberziehern der Führung an. Wunderschöne Räume finden wir vor, mit Holzbuffet, Sternparkett, Kachelöfen ein herrschaftlicher Bau mit unbezahlbarer Sicht auf den Zugersee. Da hat sich der Rechtsanwalt Hotz aus Baar aber was ganz Hüpsches erbauen lassen.

Es gibt viel zu gucken, und man lässt uns nach der Führung auch ausgiebig selbstständig weitere Räume des rosa Baues erkunden. Küche, Stube, Zimmer, Keller, wir verweilen gerne. Können dem Architekten, welcher am Umbau beteiligt war Fragen stellen.

Eine kleine Randbemerkung: Es macht den Anschein, dass dies ein massives Steinhaus sei. Jedoch versichert man uns, dass dies ein Holzständerbau mit Steinverkleidung ist. Wahrscheinlich auch wegen dem weichen Untergrund, auf dem es heute leicht schief steht.

1960 Haus Zentrum

Wir werden von der anwesenden Denkmalpflege eingeladen, beim Haus Zentrum mit Politik und Vertretern über Denkmalschutz zu sinnieren, ein reger Gedankenaustausch wird gewünscht, und es gäbe auch einen Apéro…

Nun, das zieht uns nicht so, viel Lobhudelei und da bald Wahlen sind, auch viele leere Versprechungen. Nöö- besser nicht.

Ein Zusatz der Denkmalpflegerin lässt uns beide jedoch aufhorchen: Man könne nach dem Apéro ausnahmsweise auf die Dachterrasse des Hauses im 6. Stock. Und da über die ganze Stadt gucken.

Ja dann sind wir doch an der ausserordentlichen Aktion dabei!!!!!

Und so hören wir scheinbar interessiert einer Rede zu, nippen am alkoholfreien Bier, und harren da vor dem 60-Jährigen «Schandfleck von Zug», dem Haus Zentrum. Inmitten alter Häuser hat man einen Glas-Aluminium Kubus hingeklotzt. Heute weis niemand mehr, wie das legal dazukommen konnte.

Nun jedenfalls ist die letzte Mieterschaft (Verschiedene Ämter der Stadt Zug) ausgezogen -Sind ins ehemalige Landis & Gyr Gebäude an der Gubelstrasse disloziert- Der Bau hier ist leer, sein Abriss beschlossen.

Wir steigen die Treppen hoch, das Stiegenhaus ist ein echtes Bijoux, rund schraubt sich das filigrane Treppenhaus sechs Stockwerke nach oben. Zuoberst eine Kuppel mit kleinen runden Glasfenstern. Wau!

Die Büros, mit blauem Teppich sind halt abgegriffen, und versprüht den Charme eines Verwaltungsapparats aus einer Derrick- Serie. Das ganze Haus wirkt, leer wie es ist, chli trost-und seelenlos. Aber ich vermeine, eine gewisse Architektur zu spüren, obwohl der Bauherr immer wieder dazwischen funkt, und eine Harmonie willentlich zerstört. Also von Anfang an ein Flickwerk, ein Gepfusch, das hat der Architekt in seinen Plänen nicht so gewollt und sicher auch nicht so verdient.

Jä nu, der Abriss des Hauses ist beschlossen, was da Neues kommt, muss sich erst noch beweisen.

Aber wir sind ja nur wegen der Dachterrasse, respektive dem Ausguck hier. Und tatsächlich ist der Blick einmalig, wir laufen einmal z’ringsherum, geniessen den ungewöhnlichen Ausblick auf die Altstadt von Zug. Gucken in Hinterhöfe, hab gar nicht gewusst, dass es so viele Dachterrassen gibt hier. Ob so eine Begehung je im neuen Bau auch möglich sein wird- wir bezweifeln es…

1980 Flohmarkt

Wieder unten auf dem Bsetzisteinpflaster zieht es uns in die Altstadt. Da hats ’nen grossen Flohmarkt. Viele Kleider, Schuhe, Spiele und andere Trouvaillen vom Ende des letzten Jahrtausends warten darauf, den Besitzer zu wechseln. Uns gefällt es hier, ein bunter Mix an Ständen, nicht nur zu teurer Antikschrott, sondern da könnten durchaus wir selber mal stehen und unsere Ware feilbieten. Wir flanieren durch die Altstadt, begucken die Stände und bei der alten Vogelvoliere am See rasten wir und gucken den Leuten beim stöbern zu.

Herrlich!

1460 Mittelalterfest

Gleichzeitig, zu allen heute stattfindenden Veranstaltungen kommt noch das Mittelalterfest, welches in der äusseren Altstadt- rund um die Burg- stattfindet. Sofort taucht man ein, schmeckt Rauch, hört den Schmid hämmern, sieht die Gaukler. Die ganze Kirchenstrasse, der Burgbachplatz, der Stadtgarten beim Zeughaus und der Daheim-Park ist voll enthusiastischen Leuten, welche uns zeigen, wie man Fässer küfert, schön schreibt, eine Falknerei betreibt, eine ganze Sau grilliert. Man taucht richtig ab zwischen Pulverturm, Huwilerturm, der Burg, der Oswaldskirche, in die Zeit des Mittelalters. Absolut passende Kulisse! Sehr anschaulich und interessant dargeboten. Ein riesen Kompliment an alle Beteiligten. Es hat uns gefallen, abzutauchen, im Rauch zu schnüffeln, den Handwerkern zuzusehen!

1650 Das Einhorn

Den Leckerbissen gabs zum Abschluss und war eigentlich gar nicht auf dem Programm: Fast schon am Kolinplatz- Da, wo früher mal eine Bäckerei war, wurden wir zu einer wahrlich fantastischen Führung eingeladen. Und zwar durften wir-in einer nun vermieteten Wohnung notabene- ein kürzlich entdecktes und toll konserviertes Bild (in der Fachsprache Grisaille-Zeichnung) bewundern. Da drauf ist ein Einhorn zu sehen, welches von drei Hunden und einem Engel in den Schoss einer Jungfrau getrieben wurde. Soll gemäss Überlieferung die unbefleckte Empfängnis Marias darstellen. Meist wird diese Darstellung in Kirchen aufgemalt, hier in einem Privathaus- Ist fast schon eine Sensation! Toll, wie so was hier erhalten wurde, der Architekt und die Denkmalpflege haben die Story der Entstehung des Gemäldes, des Hauses sehr gut dargelegt.

Und hier schliesst sich wieder ein Kreis, denn die Liegenschaft Kirchenstrasse 3, 5 und 7 waren die ersten Reiheneinfamilienhäuser der Stadt, und wurden in Not recht hastig nach der 1. Altstadtkatastrophe im Jahr 1435, dem Untergang der untersten Gasse in den See, erstellt.

So geht diese extrem interessante Zeitreise durch die Stadt Zug zu Ende. Und wir staunen und haben Freude, so einzigartige Schätze gezeigt bekommen zu haben. Zug wird so immer mehr zur Stadt mit ganz vielen Eigenheiten, Zug ist nicht nur Cryptowährungen und Briefkastenfirmen, Zytturm und Metalli, Zug hat mehr wie Seefest und Samstagsmärt auf dem Landsgemeindeplatz.

Ich mag diese Kleinstadt mit ihren ganz eigenen Geschichten.

Wir freuen uns auf die nächsten Denkmaltage. Oder irgendwelche Tag der offenen Türen-Aktionen.

Ah-ja: Ende Oktober ist das grosse Landis & Gyr Gebäude fürs Publikum geöffnet, der neue Sitz der Zuger Stadtverwaltung.

Wer weiss?

Wär doch noch was…

P.s: Wer ganz aufmerksam gelesen hat, merkt, dass noch eine Jahreszahl in meiner Erzählung fehlt (hab dich verwütscht, hm?):

1920 Kleinkraftwerk Haas

Als Süpplement haben wir anderntags uns dieses einmalige Turbinenkraftwerk im zürcherischen Ottenbach angeguckt.

Die ehemalige Seidenweberfabrik kennen wir heute als Stoffladen- Hier hat’s eine riesengrosse Auswahl an Stoffen und diversem Zubehör. Dass hier eine Francis-Turbine ist, und diese sogar noch Strom erzeugen kann, grenzt an ein technisches Wunder. Wir wurden in 1 1/2 Stunden sehr kompetent durch das Maschinenhaus geführt, vom Streichwehr bis zur Turbinenhalle, und auch die Handweberei im Websaal hat uns vieles Interessantes zeigen können.

Wir sind einmal mehr begeistert.

Wieder was Tolles gesehen und viel gelernt.

Gehen von nun an ganz anders an diesen Gebäuden vorbei…

Kategorien: Angeguckt

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