Eigentlich hab› mich schon so lange darauf gefreut, nun endlich ist es soweit.

Im beschaulichen Weiler Hagendorn, politisch zu der Gemeinde Cham im Kanton Zug gehörend, ist im Lauf der Jahrhunderte ab und zu mal einiges Erstaunliches am Tun. In diesem etwas abgelegenen, am Waldrand hüpsch liegenden Weiler sind es im Jahr 1860 immerhin schon stattliche 509 Einwohner, davon über zwei Drittel Personen, welche in der neben dem Fluss neu aufgebauten Spinnerei und Weberei Hagendorn arbeiten. Man zählt dazumal heute schier unvorstellbare 254 Webstühle! Zu dieser Zeit der personalintensivste Betrieb des Kantons. Leider brannte es in der Spinnerei immer wieder und der Grossbrand von 1888 setzt dem Unternehmen gar frühzeitig ein Ende. Die Firma wurde geschlossen, die Mitarbeiter entlassen.

Das Dorf verfiel wieder in einen Dornröschenschlaf, wurde wieder unbedeutend und war eh weit weg vom Schuss.

Bis dann der Bauboom im Kanton einsetzte und auch hier im verschlafenen Weiler keinen Stopp machte. Aus der Fabrik-Ruine wurden in den 90er Jahren vier hüpsche Lofts gebaut, die neun Kosthäuser geschickt instandgesetzt und an intressierte Eigentümer verkauft. Ein nun recht idyllischer Flecken an der Lorze. Eine Ruheoase mit heute immerhin 2000 Einwohnern.

Nicht weit davon weg stand auch eine Schreinerei Baumgartner, gleich neben dem eigeten Dorf- Schulhaus. Es gab keine Kirche/Kapelle, dafür sage und schreibe drei Restaurants. Das Restaurant Hagendorn (abgebrannt- Huh- Aber ganz ein heisses Dorf hier- ) seit den 60ern umbenannt in Leue) die Sonne und der Rebstock. Heute besteht nur noch das Restaurant Sonne. Übrigens das einzige Wirtshaus im Kanton mit diesem Namen.

Im nebelgeplagten Dorf ein Altwitz, dass es in Hagendorn immer eine Sonne hat.

Ha, ha.

Ich selber habe auch nach meiner Zeit im Tessin in diesem Hagendorn gelebt. Ein beschaulich Dorf mit eigener Post, Lebensmittelladen, Käserei und halbstündigen Busanschluss bis nach Mitternacht in die Stadt.

Hier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, expandiert die Fensterfabrik G. Baumgartner. Am Rand des Dorfes, angrenzend an Grün, Naturschutz und Gebiet mit vom Bund ausgerufener schützenswerter Landschaft.

Ein heikles, heisses Eisen.

Beim Fuchs und Hasen.

Das sich diese Schreinerei entschied, hier zu bleiben und weiter auf den doch teuren Standort Schweiz zu setzen, das sei hier wohlwollend vermerkt. Rund dreihundert Angestellte zählt das in der sechsten Generation geführte Unternehmen. Wie damals die Spinnerei, ein sehr sehr wichtiger Arbeitgeber des Dorfes.

Und dieses Unternehmen wird seit drei Jahren jährlich einmal für das interessierte Publikum geöffnet.

Langweilig sagst du?

Überhaupt nicht!- Erwidere ich.

Weisst du denn, wie ein Fensterrahmen hergestellt wird, was für Prozesse es braucht, damit wir die Fenster nach unserem Gusto auf und zu machen können?

Äbe- Hm?!

Drum ist so ein Tag der offenen Türe gnau richtig. Zumal es die modernste Fensterfabrikation Europas sein soll. Wau!

So melden wir uns für eine geführte Tour an und sind sehr gespannt, was uns da erwarten würde.

Als erstes wird uns vom Firmenboss selber ein Film gezeigt, wie und wo die Fenster eingesetzt werden. Dann folgt eine etwas politische Erklärung (der Gemeindepräsi und Teile seiner Kollegen sind ebenfalls da), denn Ende Monat wird über eine nicht unerhebliche Baueingabe seitens des Fensterfabrikanten abgestimmt. Klar, wird da chli geweibelt.

Der anschliessende Rundgang zeigte auch die Engheit zwischen den Maschinen, chli Luft, wär schon gut. Wir tragen übrigens alle Masken und die Präsentation war im 1,5 Meter Abstand zwischen den Stühlen.

Sehr vorbildlich!!

Also los mit unserem Führer (dürfen ihm Tobias sagen) er wird uns die Fenster-Flügelproduktion zeigen.

Als Rohstoff werden Fichten und Föhrenholz verwendet. Die Kanthölzer kommen aus Rumänien oder der Ukraine. Und ein Kleinstteil aus der Schweiz. An alle die jetzt aufschreien, wegen Raubbau und Zerstörung des Rückzugsgebietes der Luchse und via Pedition gegenüber einem schwedischen Möbelhaus möbilisieren… Ähm, hat der Möbelgigant denn überhaupt noch Holzmöbel, da wird doch billigstes Restgut und kein hochwertiges Holz verwendet? Könnten wir die immense Menge an Bedarf überhaupt mit unseren eigenen Bäumen decken? Weil ja bei jedem Buschröschen, welches zurückgeschnitten wird, schon Zeter Mordio geschrien wird, und hier schon gar nicht die Fläche vorhanden wäre, um den Bedarf an Holz zu decken, den wir kaufen. Und dann haben wir so verkrüppelte astreiche Sorten, welche nur Probleme verursachen.

Dann ists besser, dass es wenigstens hier gefertigt wird, und dank guter Qualität auch länger hält. So wird die Wertschöpfung auch wieder ausgeglichener, und die hippe heutige Währung in CO2 auch besser.

Ich bin auch gegen Raubbau und unnützen Rodungen von Wäldern. Aber bin ich auch bereit, für eine Bettstatt 1500.- zu zahlen, weil sie vom Dorfschreiner mit lokalem Holz gefertigt wurde? Oder greife ich aufs Sonderpreismodel vom Möbelgrossisten, was zwar nur 178.40 kostet, dafür gänzlich aus Karton und Pressspan gefertigt wurde?

Tja…

Immer auch die Kehrseite begucken, bevor man ins Horn bläst…

So führt uns Tobias weiter durch die verschiedenen Maschinen, wo gefräst, gegehrt, verzahnt wird. Es ist alles computergesteuert. Scho no verrückt, wie das funktioniert. Die Fensterflügel werden von Hand platziert und dann maschinell passgenau geleimt.

Danach gespritzt (die Spritzerei ist mit den riesigen Lager im Keller), eine Wahnsinnsfläche. Hier ist der erste Farbanstrich vollautomatisch, der Zwischenschliff jedoch durch zwei Arbeiter manuell ausgeführt. Bevor der zweite Anstrich mittels Roboter aufgetragen wird.

Beeindruckend.

Wieder im Erdgeschoss werden die Fenster da wo das Glas drauf kommt abermals angeschliffen, der Leim soll das Glas ja sehr gut mit dem Rahmen verbinden.

Dann kommen die Dichtungen drauf. Das einzusetzende Glas, eventuell der Metallverkleidung aussen wegen der Witterungsbeständigkeit. Und schliesslich in der Spedition auf geeigneten Wagen mit Schrumpffolie verladefertig gemacht.

Das Glas wird nicht hier produziert, sondern entweder fixfertig hierhin angeliefert oder direkt auf der Baustelle im Rahmen «angeschlagen».

Ist eh noch eine ganz koole Idee mit dem Glas liefern. Der Camion kann trocken unter dem Dach mit Hebekran seine Ladung auf einen bereitgestellten Wagen stellen. Und ein Roboter übernimmt die ganze Lagerung im Hochregallager inkl. Etikettierung und Quittung für den Lieferanten. Der Chauffeur kann somit sein Entladen völlig selbstständig machen, und braucht keine Mann-Ressource der Fensterfabrikationsfirma.

Würkli faszinierend.

Der gesamte Prozess der Fensterfabrikation ist hier fast vollautomatisch, Maschinisten überwachen die Prozesse. Einzelne Arbeitsschritte können wiederum nur von Menschenhand gemacht werden, wobei die Arbeit schon recht eintönig wirkt. Beeindruckend trotzdem, wie aus einem Vierkantholz ein Fensterrahmen wird.

Die fast zweistündige Führung war würkli extrem interessant und wir haben sehr viel Interessantes mitnehmen können. Ein gewaltiger Betrieb, ein gewagter Ausbauplan, ein grandioses Konzept. Wo angrenzend eine künstlich natürliche Umgebung recht gut umgesetzt wurde, will man nun mit Bedacht erweitern.

Nur einstöckig, ohja.

Das Stockwerk aber sechs Meter Raumhöhe hat.

Oh!

Hier im beschaulichen Hagendorn.

Wo sich Fuchs und Hase Guet Nacht sagen.

Ich weiss nun wie Fenster fabriziert werden. Es wurde mir auf eine sehr interessante Weise hier gezeigt.

Das hat mich sehr beeindruckt.

Der Besuch lohnt sich nicht nur wegen der kulinarischen und akustischen Verpflegung. Es ist wie eine grosse Familie. Als wäre man nicht das erste Mal hier.

Fühle mich irgendwie wohl hier, trotz Corona-Schutzmassnahmen.

Ächtetz.

Kategorien: Angeguckt

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